Die Lausitzer Textilindustrie nahm ihre Entwicklung in Cottbus und Guben mit preußischen Krediten und englischen Maschinen. Eng verbunden damit waren Investitionen der Brüder Cockerill, in Folge Nr. 10 dieser Serie wurde darauf schon verwiesen. In Forst begann die Entwicklung unter weit schwierigeren Bedingungen, im Ergebnis wurde Forst aber der bedeutendste Standort der Textilindustrie in der Lausitz.
Die Manufaktur des Grafen Brühl
Forst war seit alters her eine Mediatstadt, die Besitzer der Herrschaft Forst-Pförten waren auch zugleich Besitzer der Stadt. Damit war städtische Entwicklung nur in einem vorgegebenen Rahmen möglich. In der Regel beförderte die Herrschaft, natürlich auch zu ihrem eigenen Vorteil, aber Handwerk, Handel und Gewerbe. Von 1746 bis 1858 waren die Grafen von Brühl die oberste Instanz in Forst. Die Tuchmacherei nahm seit 1628 mit Einwanderungen aus Polen und Schlesien einen beachtlichen Aufschwung. Graf Brühl gründete 1744 ein erstes Etablissement, das sich stolz Fabrik nannte. Es war eine Leinen- und Tuchmanufaktur, die besonders für die Belange der Hofhaltung in Pförten produzierte. Daneben gab es noch mehrere Dutzend Tuchmachermeister, die ihre Tuche auf den Messen in Leipzig Frankfurt und Breslau absetzten.
Beginn mit Spinnerei
Der Pförtener Kaufmann Jeschke hatte sehr wohl erkannt, warum die Tuchproduktion in Forst zu Anfang des 19. Jahrhunderts relativ rückläufig war: Es fehlte den Meistern an dem nötigen Garn. Um mehr Garn zu produzieren, mussten Spinnmaschinen angeschafft werden. Und eben das tat der Kaufmann, der auch das nötige Kapital beisammen hatte. Hinzu kam, für die Spinnmaschinen wurden keine ausgebildeten Gesellen mehr gebraucht. Ungelernte vom Lande konnten die Arbeit auch verrichten, natürlich gegen weniger Lohn. Kurz nach dem Kaufmann Jeschke kamen andere auf die gleiche Idee. So startete die Forster Textilindustrie in eine Richtung, die sie groß werden ließ: Viele kleine Betriebe und viele Arbeitskräfte, die billig zu haben waren. Damit war natürlich keine Qualitätsware wie in Cottbus zu produzieren, hier hieß zunächst die Losung “Masse statt Klasse”.
Hindernisse über Hindernisse
Neben dem Mangel an Garn war die Forster Tuchindustrie aber noch anderen Hemmnissen unterworfen. Vor allem fehlte es an städtischem Bauland, um die Ansiedlung der Industrie gezielt vornehmen zu können. So sah es in Forst bald “amerikanisch” aus, d.h. eine geordnete städtebauliche Entwicklung gab es kaum, an allen nur möglichen Orten entstanden Fabriken, Wohn- und Industriegebiete mischten sich. Ein großes Hemmnis war die mangelnde Verkehrsanbindung. Rohstoffe, vor allem Wolle von den Märkten in Berlin und Breslau und Braunkohle für die Dampfmaschinen mussten mühsam und damit kostenintensiv mit Fuhrwerken angefahren werden. Der Abtransport der Fertigwaren war auch nicht einfacher. Den Durchbruch brachte der Anschluss an das Eisenbahnnetz mit der Linie Leipzig-Cottbus-Sorau 1872.
Maschinelle Großproduktion
1844 wurde die erste Dampfmaschine in einer Forster Tuchfabrik aufgestellt, knapp zwanzig Jahre später waren es schon fünfzehn. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nahm die Textilindustrie in Forst einen rasanten Aufstieg. Mit der Industrie wuchs natürlich auch die Stadtbevölkerung. Zählte man um 1800 rund 2.000 Einwohner, so waren es 1871 bereits 7.950 und am Ende des 19. Jahrhunderts war man bei 32.000 angelangt – welch eine explosive Entwicklung!
Die Forster Textilindustrie selbst blieb aus verschiedenen Gründen stark zersplittert. Eine Konzentration wie anderwärts zu sogenannten Volltuchfabriken, in denen von der Spinnerei über Weberei und Appretur alle Produktionszweige unter einer Leitung vereint waren, fand kaum statt. Dafür gab es eine sehr große Zahl kleiner und kleinster Betriebe, die Lohnarbeit von größeren Betrieben ausführten. Das brachte für Fabrikanten den Vorteil, je nach Geschäftslage Aufträge vor Ort zu vergeben oder eben auch nicht. Andererseits hatten so viele die Hoffnung, selbst zum Unternehmer aufzusteigen. Deshalb hatten viele Betriebe auch nur angemietete Räume, von 250 Tuchfabriken besaßen 1925 nur 100 eigene Fabrikräume. Zwei Drittel aller Beschäftigten in Forst waren in der Textilindustrie tätig. Zahlen zur Produktion sind schwer zu vermitteln, versuchen wir einen Vergleich: Die Forster Textilproduktion entsprach um 1900 etwa der der Städte Cottbus, Spremberg und Finsterwalde zusammengenommen.
Bis zum letzten Faden
Von den Kriegszerstörungen und den Enteignungen nach 1945 hat sich die Forster Textilindustrie nicht wieder erholen können. Wenn auch am Ende der DDR noch einmal kräftig modernisiert wurde, hatte sich der internationale Textilmarkt so völlig geändert, daß bis 1992 fast bis auf den letzten Faden alles aufgegeben werden musste – aber nur fast, denn ein österreichischer Unternehmer produzierte in stark eingeschränktem Umfang weiter – Lodenstoffe für die Trachtenschneiderei.
A.Pommer
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