Die Sprünge der jungen Masai

170218 reise masai
Uraltes Tanz-Ritual der jungen Männer in den Dörfern der Masai. Zu stönendem und brummendem Kehlgesang wird Kraft demonstriert. Wer federgleich am höchsten springt, darf heiraten

Im Dorf der nomadisierenden Hirten ist die Zeit stehen geblieben

Von Nairobi haben wir westwärts in die wildreiche Masai Mara, nördlicher Ausläufer der Serengeti, gefunden. Unmittelbar am Nationalpark liegt das Dorf der Herren des Landes, der Masai.
Getrübte Stimmung: Letzte Nacht hat die „Große Katze“, wahrscheinlich der Leopard, 14 Lämmer gerissen. Damit müssen die Masai hier leben. Sie dürfen die Katze nur verteiben, nicht schießen. Der Schutz des Wildes ist ihre Lebenschance, das wissen sie. Touristen kommen vor allem wegen dieser Tiere.
Die Katze hat es leicht bei Nacht. Das Dorf ist nur von Gestrüpp umzäunt. 180 Leute leben hier in zehn durchweg verwandten Familien. Die Häuser aus Stöcken, Lehm und Kuhmist haben die Frauen gebaut: Küche, Männerschlafraum, der andere für die Frau und die kleinen Kinder, vorn ein Stallraum für Jungtiere. Die größeren Jungen und Mädchen haben eigene Gruppenhütten.
Wir laufen federnd über den großen Versammlungs- und Festplatz. Er besteht gänzlich aus trockenem Kuhmist, denn nachts stehen hier die Rinder. Die Schafe und Ziegen ängstigen sich noch im seitlichen Pferch.
Die Rinder sind das Wichtigste im Masai-Leben. Ihr Gott, das wissen sie zuverlässig, hat ihnen alle Rinder der Erde anvertraut. Wer sonst noch Kühe hat, muss ein Rinderdieb sein. Rinder, Herden zu hunderten, bedeuten Reichtum. Für 25 Kühe gibt es eine Frau, wer  sich’s leisten kann, hat viele Frauen. Und dann auch viele Kinder, die nur ausnahmsweise zur Schule gehen. Es kommt vor, dass auch ein Masai an Kenias Hochschulen gelangt; aber das sind seltene Ausnahmen. Normalerweise hüten die Jungen Tiere und die Mädchen holen Wasser aus fernen Brunnen – eine Ganztags-Schlepperei.
Aller acht bis elf Jahre bauen sich die Masai ein neues Dorf. Das der Hütten haben dann Termiten zerfressen und das Land ist verbraucht. „So bleiben wir Nomaden, das ist unser Leben“, sagt der Häuptling. Und das klingt stolz. Besuchern führen die Männer Spring-Tänze vor und zeigen, wie sie einen Stab auf einem Brett drillen, bis sich trockenes Moos in der heißen Delle entzündet.
Die langen Tücher in satten Farben, dominiert vom kraftvollen Rot, stehen in heiterem Kontrast  zu den melancholischen  Männerminen. Wer etwas gelten will hier im Clan, muss sich durchsetzen können. Schon als Junge. Früher mussten die Burschen draußen in der Savanne einen Löwen mit bloßen Händen erlegen, um als Mann zu gelten. Das ist vorbei, aber Mut- und Kraftproben gehören bis heute zu den Initiationsritualen, in deren Zentrum die Beschneidung steht. Mit 15 Jahren oder etwas später wird der Knabe damit zum „Krieger“. Das ist heutzutage die „sportliche Zeit“ der jungen Männer. Und jetzt arbeiten sie an ihrer Sprungkraft. Wer im Tanz aus dem Stand am höchsten springt, darf heiraten.

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