Die „Post“ in Madlow war kulturelles Zentrum des Stadtteils im Süden.
Unser Bild der Vorwoche fand viel Beifall. Herbert Ramoth schreibt: „Das Foto haben meine Frau und ich auf den ersten Blick erkannt, weil es Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit hervorrief. In den 1960-er Jahren, als wir noch möbliert bzw. ohne eigene Küche wohnten, waren wir auf den Mittagstisch zumindest an den Sonn- und Feiertagen in Gaststätten angewiesen. So haben wir damals alle verfügbaren Cottbuser Speiselokale kennengelernt mit vielen kuriosen Überraschungen und Begleiterscheinungen wie ‘Heute kein Mittagstisch’, ‘Sie werden platziert’ oder ‘Reserviert’! Die Lösung brachte dann die im Foto abgebildete Lokalität ‘Zur Post’, Madlower Hauptstraße 52, die wir vorzugsweise besuchten. Immer freundliche und schnelle Bedienung, sehr schmackhaftes Essen und preiswert. Vielen Dank, dass Sie diese fast vergessene Lokalität im Bild vorgestellt haben.“
Renate Brinke aus der Hagenwerderstraße freut sich: „Nun sind wir doch wieder in Cottbus angekommen. Es ist schade, dass es für dieses prägende Gebäude keine Nutzung mehr gegeben hat. Ich kenne diese Gaststätte seit den 1980er Jahren. Wie sind in dieser Zeit Sachsendorf gezogen. Ein Spaziergang von der Hegelstraße über die alte Postraße hatte diese Gaststätte öfter als Ziel. Es war dort zwar etwas sanierungsbedürftig aber das Essen war gut. Um 1992 war dort ein Asiarestaurant, aber dann folgte Leerstand.“
„Verschwunden ist dieses Gebäude sang- und klanglos“ findet Josef Kauczor. „Gab es Proteste der Madlower? Zu DDR-Zeiten galt staatlicherseits, dass Christen ihre Religion nur im kirchlichen Raum auszuüben hätten. So konnten christliche Gruppen kaum eine Lokalität mieten, um bei gepflegten Getränken züchtig zu tanzen. Also wurden ‘Verlobungen’ arrangiert, und die Gruppenmitglieder waren die Gäste. In der ‘Post’ ging das und Konspiration war ja sooo spannend. Ob aus solchen ’Verlobten’ mal echte Hochzeitspaare wurden, weiß ich nicht.“
Aber mit „lieben Grüßen“ schreiben uns Gabi und Holger:„Ja damals war’s – 15 und 17 Jahre alt, heiß verliebt zur Disko, jeden Samstag! Langes Anstehen nach begehrten Eintrittskarten. Heute sind wir 40 Jahre verheiratet!“
An Disco im 1. OG erinnert sich auch Birgit Rink aus Cottbus: „Diese Örtlichkeit wurde auch für Familienfeiern, Kinovorführungen, Vereinsveranstaltungen, Parteiversammlungen sowie die alljährliche Silvesterparty genutzt. Bereits Monate im Voraus musste für Silvester eine Reservierung erfolgen, falls man nicht Beziehungen hatte…“
Irina Lehmann aus der Räschener Straße in Cottbus weiß: „Das war mal eine beliebte Gaststätte mit großem Saal oben. Im Juni 1972 haben wir dort unseren Schulabschluss gefeiert. Als es nach der Wende mit vielen Gaststätten bergab ging, kam auch für die ‘Post’ das Aus. Irgendwann entdeckte ein Chinese das verwaiste Haus, strich die Fassade bunt an, stellte zwei goldene Drachenfiguren vor die Tür und eröffnete ein chinesisches Restaurant. Es war, wie so oft in dieser Zeit, die falsche Idee zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Klaus Reiter spricht von „einer der beliebtesten Tanzgaststätten. Dieses Gebäude entstand 1930, kann nach alten Unterlagen aber schon 1899 errichtet worden sein. Ich war selbst oft dort. Man ging rechts durch den Gastraum und dann eine Treppe nach oben zum Tanzsaal. Dort spielten oft Livebands und Discotheken.“ Marianne und Dr. Karl Preußner erinnern sich: „Anfang der 90er Jahre war dort ein Vietnamesisches Restaurant mit zwei stattlichen Löwen davor. Im Januar 1993 haben wir dort mit unseren Geburtstagsgästen schön gefeiert! (siehe Foto) Nach 2000 wurde das verfallene Gebäude abgerissen. Die sechs Linden stehen aber noch da. – Weiter so, liebe Redakteure des Märkischen Boten Frank Uhlemann aus Madlow schreibt: „Aus Erzählungen älterer Einwohner ist mir bekannt, dass im Saal Anfang 1945 bis zum Kriegsende ein Lazarett eingerichtet war. Viele der dort Verstorbenen liegen auf dem Friedhof in Madlow. In den fünfziger Jahren folgten dann Tanzabende mit Kapellen und Kinovorführungen. Mitte der siebziger bis achtziger Jahre liefen dort die immer ausverkauften Diskotheken, organisiert und durchgeführt vom Jugendklub Madlow. Beginn war immer 19.30 Uhr und Ende um 24 Uhr. Als damals in Madlow der Jugendclub noch gezampert hat, traf man sich am Sonntagvormittag zum Rühreiessen. Viele Bürger feierten hier Jugendweihe, Hochzeit oder Jubiläen. In den Vereinsräumen trafen sich die Madlower Angler und das Verkehrssicherheitsaktiv. Die Schulungen, durchgeführt vom ABV Gustaf Nagel und seinem Helfer Hans Kost, waren immer sehr gut besucht – sicherlich auch wegen der Nachweisstempel, die ein großer Vorteil bei Kontrollen der Verkehrspolizei sein konnten.
Nach der Wende ging es bergab mit dem Gebäude. Investiert wurde nicht mehr. Mehrfach wechselte der Eigentümer, bis das Haus 2016 abgerissen wurde. Sämtliche Aktivitäten der Bürger im Madlow kamen zum Erliegen. Derzeit gibt es Bemühungen, wenigstes das alte Gerätehaus der freiwilligen Feuerwehr für die Bürger weiter nutzen zu können. Aber es hakt wieder mal am fehlenden Geld und an schlüssigen Konzepten…“
Günther Biallas aus der Louis-Braille-Straße hat eine Erinnerung ganz anderer Art: „Das Haus stand direkt an der Straßenbahnlinie. Bei einer Radtour mit Freunden bin ich beim Abbiegen zur Gaststätte in die Gleise geraten und gestürzt. Das werde ich nie vergessen.“
Auch Jürgen Vialon war in der Konsumgaststätte oft zur Disco oder zum Tanz und erinnert sich an den Jugendclub Madlow mit eigener Hausdisco. Er erwähnt: „Auch die Gartenfreunde ‘Sonniger Süden’ tanzten hier zu ihrer Jahresabschlussveranstaltung. Die letzten Betreiber waren, glaube ich, Familie Lichtblau. Später im China-Restaurant war ein großer runder Tisch mit drehbarem Mittelaufsatz die Attraktion. Jeder konnte da von allem kosten. Dann wurde das Dach undicht, das Parkett war hin und es tropfte bis in die Gaststätte.“
An dem alten Haus, das es nun mehr gibt, hingen viele Erinnerungen. Danke an alle, die sie für unsere Leser aufschrieben.
Gewonnen hat diesmal Klaus Kutschke aus Cottbus.
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