Guben: Zur Schule ging’s nur über den Hof

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Blick in die Cyrankiewiczstraße im Sommer 1958

Das Hochwasser flutete mehrfach die Keller in der Alten Poststraße
Hochwasser-Aufnahmen gibt es viele, vor allem in den Archiven. Und so war die Rätselaufgabe diesmal gar nicht so leicht. Viele erkannten den Ort, das Jahr dieser Aufnahme war jedoch schwieriger zu ermitteln.
Karl-Heinz Haigold mailt: „Das Bild zeigt die Alte-Post-Straße von der Kugelbrücke aus gesehen. Hier gab es mehrere Geschäfte, so zum Beispiel die Bäckerei Berger. Nach 1945 übernahm die Bäckerei für mehre Jahre Bäcker Hildebrandt. Im Nachbarhaus war die Fleischerei Schultke zu finden. Auf der anderen Straßenseite gab es einen Gemüseladen. Im ersten Haus, auf dem Bild nicht sichtbar, war die Gaststätte ‘Zur Kugelbrücke’, ein sehr gut besuchtes Lokal. Im Haus von Bäcker Berger haben wir ab Mai 1945 elf Jahre lang gewohnt. Die Straße war mehrmals bei Hochwasser überflutet. Die Kinder versuchten dann, mit Badewannen Kahn zu fahren. Besonders betroffen waren wir, weil durch den hohen Wasserstand der Egelneiße das Grundwasser in die Keller eindrang und bis zur Decke füllte. Dies ist uns in dieser Zeit drei Mal passiert.
Die Aufnahme könnte etwa Ende der 1950er-Jahre entstanden sein.“
Bärbel Koschack engt den Zeitpunkt ein: „Damals hieß sie Cyrankiewiczstraße. Vermutlich stammt das Foto aus dem Jahre 1958. Es war schon eine bedrohliche Situation. An der Neiße half ich selbst auch mit beim Füllen der Sandsäcke. An der Hauswand Nr. 35 erkennt man noch den Namen des Besitzers. Firma Emil Künzel war vor 1945 eine Kupferschmiede. Hier wurden Kupferkessel gebaut. Daneben Nr. 36 war die Bäckerei von Otto Berger. Von 1950 bis 1955 kauften wir dort ein und ließen den Kuchen ba­cken, den wir auf dem Blech vorbereitet zur Bäckerei brachten. Die Fleischerei Schultke und der Hutladen der Firma Fettke waren die nächsten Häuser. Die Alte Poststraße war in diesem Bereich zwischen Egelneiße Brücke und Hohms Gasse auch im Jahre 2010 vom Hochwasser betroffen mit größeren Schäden.“
Auch Wolfgang Donat tippt auf das Jahr 1958 und mailt: „Ich habe eine derartige Überflutung vor 1950 am gleichen Ort erlebt. Wir wohnten im letzten Haus auf der rechten Straßenseite. Es gehörte der Familie Künzel. Bis 1945 waren es Geschäftsräume der IG-Farben. Um trocken in die Schule zu kommen, musste ich über den Hinterhof und hinter den anderen Anwesen entlang gehen, um dann in einem anderen Haus der Familie Künzel – mit beschmiertem Schild – wieder auf die Straße zu kommen.“
Der Liste der Geschäfte fügte er noch ein Hutgeschäft an, eventuell „Hut-Heinrich“.
Erika Schröder löst am Telefon und schildert: „In meinem Fotoalbum habe ich fast das gleiche Bild vom Hochsommer 1958. Ich erinnere mich sehr gut daran, weil meine Schwiegermutter gegenüber das Haus hatte, die Nr. 25. Das Haus wurde später verkauft, dann war eine Schneiderei Herrmann darin. 2010 war sie auch vom Hochwasser betroffen.“
Arno Schulz erinnert sich ebenfalls genau an den Sommer 1958: „Als Lehrlinge wurden wir damals bei den Aufräumarbeiten eingesetzt. Die Häuserfront rechts ist die Alte Poststraße ab Nr. 35. Am ersten Haus ist noch der Namenzug der heute noch im Altbundesgebiet bestehenden Firma Künzel, auf die ich im Jahrbuch 2013/14 näher eingehe. Das davor stehende Eckhaus mit Gaststätte und die dahinter liegenden Werkstätten sind abgerissen worden. Danach folgte die Bäckerei Franz, die noch bis in die siebziger Jahre bestand, heute sind es Wohnungen. Die Nachfolger der Fleischerei Schultke betreiben das Unternehmen heute noch an einem anderen Standort in Guben. Im Laden ist jetzt eine Buchbinderei. Im nächsten Haus war damals das Mützen- und Hutgeschäft Fettke, heute ist dort ein kleiner Laden mit Waren des täglichen Bedarfs. Der nachfolgende Wohnblock gehörte der Familie Künzel. Da er noch immer nicht saniert wurde und fast leer steht, vermute ich noch unklare Eigentumsverhältnisse.“
Vielen Dank auch allen anderen, nicht namentlich genannten Rätsellösern.