Werksneubau mit kapitalistischer Technik / Ferrolegierungswerk mit hohem Energieverbrauch / Kraftwerk Trattendorf in unmittelbarer Nähe
Frank Schüttenhelm schrieb uns: „Das Bild zeigt das Betriebsgelände des ehemaligen Ferrolegierungswerkes in Trattendorf. Auf Grund des hohen Bedarfes an Elektroenergie wurde das Werk unmittelbar gegenüber dem Kraftwerk Trattendorf errichtet. Im Hintergrund ist der Neubau des Ferrolegierungswerkes zu erkennen. Dieser wurde etwa 1982 errichtet. Die Technik dazu kam aus dem damals kapitalistischen Ausland.
Um sich vom ‘Klassengegner störfrei zu machen’, wurde auch Technik aus der der eigenen Entwicklung eingesetzt. Das Ergebnis waren starke Rauchentwicklung beim An-, und Abfahrprozess der Öfen, in denen Silizium für die Halbleiterindustrie der DDR hergestellt wurde. Die Rauchschwaden vernebelten Spremberg / Trattendorf und zum Teil auch das Kraftwerk. Zur Beseitigung der Misere wurde eine Erdgasleitung zu den Öfen verlegt. Mit Hilfe des Erdgases wurden die Rauchgastemperaturen in den Öfen stabilisiert, damit die Rauchgasfilter weiter in Betrieb blieben. Riesige Mengen des zurück gehaltenen Staubes wurden in offenen LKW’s durch Spremberg abgefahren, das sah man auch dann auf den Straßen.
Das Werk wurde umgangssprachlich auch ‘Lonza-Werk`genannt, hängt mit den Eigentümern des Altwerkes zusammen, die aus der Schweiz stammen. Es war eines der ersten, das nach der Wende außer Betrieb ging. Zum Betrieb gehörten auch ein Labor, ein Sozialgebäude, wo z.Zt. eine Hundehort eingerichtet ist.
Max Illing teilte uns am Telefon mit: „Das ist das Lonza-Werk in Spremberg, später Ferro-Legierungswerk. Der Betrieb wurde 1914/15 gebaut, sicher in Verbindung mit dem Standort des Kraftwerkes, da das Lonza-Werk ein stromintensiver Betrieb war. In der Halle waren drei Elektro-Öfen. Im großen Ofen wurde Karbid geschmolzen. In den anderen Öfen wurden andere Produkte hergestellt, z.B. Material für die Brandbomben während des Krieges. Das Lonza-Werk wurde ständig vom Kraftwerk über bestimmte zugeteilte Turbinen mit Strom beliefert und durch Transformatoren im Lonza-Werk den Öfen zugeteilt. Anfang der 50er Jahre wurde die Karbidproduktion durch andere Betriebe übernommen. Das Lonza-Werk wurde der „VVB Eisenerz/Roheisen Saalfeld“ in das Ferrolegierungswerk Lippendorf eingegliedert und produzierte Ferrosilizium 45 Prozent in dem großen Ofen und in beiden kleinen Öfen Reinsilizium um die 98 Prozent und nach Bedarf andere Sorten wie Kupferzilizium usw. Ich wurde nach meinem Studium hierher verpflichtet und fuhr am 1. August 1961 mit meiner AWO (Motorrad) nach Spremberg. Durch meine praktische Tätigkeit in Lippendorf und mein Studium in Riesa als Ingenieur für Metallurgie hatte ich einen guten Start mit 715 Mark Anfangsgehalt und hatte im Januar 1962 1050 Mark Gehalt. (Traumentwicklung) Das führte natürlich auch dazu, dass viele nach mir gierig waren; meine persönlichen Wünsche jedoch nicht in Erfüllung gingen. Im Lonza-Werk waren 200 bis 300 Beschäftigte, darunter Jugendliche aus den Jugendheimen Pumpe und Hoyerswerda. Die Jungs durften damals schon (unter 18 Jahren) Schicht arbeiten, waren fleißig und haben sich gut entwickelt und qualifiziert. Es musste in drei Schichten gearbeitet werden, das erforderte der Produktionsablauf. Nach der Wende wurde die Produktion eingestellt und der Betrieb abgerissen.“
Helga Reichstein schreibt: „Das ist das Lonza-Werk, es diente der Karbidherstellung, wenn ich nicht irre. Mitte der 80er Jahre wurde dann ein neues Ferrowerk gebaut. Nach der Wende verschwand alles.“
Günter Lohr schreibt: „Das Bild zeigt das Lonza-Werk in Trattendorf, welches nach der Wende aufgenommen wurde. Hier fehlt schon das Pförtnerhäuschen und die Inschrift LONZA-Werk, die im Tor angebracht war. Dieses Werk wurde 1916 neben dem Kraftwerk errichtet, um preisgünstig die Energie zu beziehen. Bis 1922 wurde Dünger hergestellt. Danach produzierte man Calciumkarbid. In den 20er-Jahren wurde ein Herr Nusser vom Lonza-Werk Tiengen bei Walshut nach Trattendorf versetzt, wo er auch meine Tante kennenlernte und sie heiratete. Ab den 40er-Jahren war er als Werkdirektor tätig bis zu seiner Verhaftung in den 50er-Jahren. Ihm wurde vorgeworfen, in West-Berlin ein Konto angelegt zu haben. Das bedeutete in der DDR Devisenverschiebung. Er wurde zu 3 1/2 Jahren Haft verurteilt und verließ nach der Haftentlassung mit seiner Familie die DDR und ging wieder in seine alte Heimat nach Walshut zurück. Der Hauptsitz der Lonza-Werke befindet sich in Basel. Nach Nusser war Skorreng als Direktor tätig. Es wurde nach Kriegsende weiter Karbid hergestellt. Denn die meisten Betriebe hatten zu der Zeit einen Entwickler zur Atzetylenherstellung. Für die Bauern und Hausbesitzer war dieser Betrieb in den schweren Nachkriegszeiten ein Segen. Durch das Abfallprodukt Karbidkalk, den sie holten, konnten sie durch den Krieg beschädigte und abgebrannte Gebäude wieder schnell herrichten. Auch die Arbeiter in dem Werk waren glücklich über die?Hilfe durch ihr Schweizer Stammwerk wie z.B. Schuhe usw.. Durch die Kalkpartikel, die in die Luft entwichen, waren die Bäume und Sträucher in der Umgebung gräulich-weiß beschichtet. Da es ein Schweizer Werk war, entging es der Enteignung.“
Manfred Gnida schreibt: „Bis 1968 war das Lonza-Werk noch ein Schweizer Treuhandbetrieb und die harte Arbeit an den Öfen wurde gut belohnt. Am 7. Juli 1983 erfolgte die Grundsteinlegung für ein neues Ferrolegierungswerk. 1985 wurde in diesem neuen Werk die Produktion von Ferrosilizium und Siliziummetall aufgenommen und nach kurzer Zeit 1986 eingestellt. 1997 begann der Abriss des LONZA-Werkes bis auf Restbauten. Hier in den Verwaltungs- und Laborräumen in der Kraftwerkstraße 45 wurden unterschiedliche Firmen ansässig.“
Dieter Polenz schreibt: „Der abgebildete Gebäudekomplex zeigt das ehemalige Ferrolegierungswerk Spremberg in der ehemaligen Wilhelm-Pieck-Allee, jetzt Kraftwerksstraße, in Trattendorf. Rechts im Bild ist das Ofenhaus des Altwerkes zu sehen, in dem drei Elektrolichtbogenöfen mit der elektrischen Leistung von 1 x 13100 kVA und 2 x 3000 kVA installiert waren. Erzeugt wurden in den E-Öfen Ferrolegierungen (Fesi 45 %) und Siliziummetall (98 %). Diese Erzeugnisse wurden weiterverarbeitet in der Stahlindustrie, Siliconchemie und in der Halbleiterindustrie (Grundstoff des Reinsiliziums). Vor der Aufnahme der Ferrolegierungsproduktion wurde Kalzium-Karbid hergestellt. Links im Bild ist das Werkstattgebäude erkennbar. Die Versorgung des Altwerkes mit elektrischer Energie erfolgte mittels 6 kV-Trassen direkt vom gegenüberliegenden Kraftwerk. Im Hintergrund des Bildes ist das von der französischen Firma SERETE in den Jahren 1983-85 errichtete Neuwerk zu sehen (Entstaubungsanlage und Ofengebäude). Im Neuwerk waren 2 Elektrolichtbogenniederschachtöfen mit einer elektrischen Leistung von je 3 x 13000 kVA vorhanden. Das Neuwerk war auf dem technischen Höchststand in Europa. Mit der Aufnahme der Produktion im Jahre 1985 wurde das Altwerk stillgelegt. Die Grundstoffe zur Erzeugung von Ferrolegierungen waren Kieselquarz, BHT-Koks, Hackholzschnitzel und Stahlspäne, Siliziummetall wurde aus Kieselquarz, Holzkohle und Holzrinde hergestellt. Das Rohstoffgemenge zur Ofenbeschickung wurde Möller genannt. Mit der aus dem 110 kV-Netz zugeführten Elektroenergie (Neuwerk) ging der elektro-chemische Produktionsprozess zur Reduktion von Siliziumdioxyd (z.B. Kieselquarz) mittels Kohlenstoff (Holzkohle) zu Siliziummetall in den E-Öfen vonstatten. Das flüssige Silizium wurde in Gießpfannen abgestochen. Die Stilllegung des Werkes erfolgte am 28. Juni 1990. Anfang der neunziger Jahre wurde das Altwerk abgerissen und verschrottet, das Neuwerk demontiert und verkauft. Die noch verbliebenen Gebäude des Neuwerkes (mech. Werkstatt, Magazin etc.) werden von ortsansässigen Unternehmen (Dienstleistungen, Bau, Schrotthandel usw.) nachgenutzt.“