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Leserbrief: In Stalins Lagern litten auch die Brüder Sinapius

Leserbriefe | Von | 3. April 2020

Am Gründonnerstag 1947 wurde das Speziallager des NKWD in Jamlitz bei Lieberose aufgelöst

Sinapius

Die Sinapius-Villa an der Berliner Kreuzung in Spremberg war im Februar eines unserer Rätselmotive. Kurt Noack nahm jetzt mit seiner Betrachtung Bezug darauf Foto: CGA-Archiv

Aus Groß-Kölzig schickte uns Kurt Noack einen Beitrag, der mit dem Vorspann beginnt:
Dem „Märkischen Boten“ gebührt Anerkennung, mit der Rateseite „Bilder der Niederlausitz im Wandel“ auf sehr wirkungsvolle Weise unmittelbare Heimatgeschichte zu vermitteln.
Die Spremberger Villa Sinapius wurde letztens (Mitte Februar) vorgestellt und es meldeten sich Leser, die Bescheid wussten. Diese gute Gelegenheit möchte ich 75 Jahre nach Beendigung des Krieges nutzen, um am Beispiel der angesehenen Spremberger Fabrikantenfamilie Sinapius an die bitteren Jahre unserer Nachkriegsgeschichte zu erinnern, in denen unschuldige Menschen in der sowjetischen Besatzungszone vielfach durch Denunzianten den Verfolgungen des sowjetischen Geheimdienstes NKWD zum Opfer fielen.
Weiter schreibt Kurt Noack, der als junger Mann selbst die Qualen der NKDW-Lager durchlitt:
Nach Beschlüssen der Siegermächte waren in allen Besatzungszonen nach festen Regeln jene Personen zu internieren, die das Nazisystem aktiv unterstützt haben. Für die Unterbringung der Festgesetzten wurden ehemalige KZ genutzt und unter äußerst menschenunwürdigen Bedingungen in der sowjetischen Zone neue Lager eingerichtet, in denen es zu einer durchschnittlichen Sterbequote von mehr als 40 Prozent der zum großen Teil sehr jungen Insassen kam.
Auf der Grundlage der jetzt vorliegenden Totenbücher der Speziallager in der sowjetischen Besatzungszone, die in russischen Archiven gelesen werden konnten, liegt die Zahl der in kurzer Zeit durch Hunger und seine Folgen um ihr Leben gebrachten Menschen bei 60 000. Erst mit der Wende 1990 rückte dieses Tabuthema der DDR in den Fokus der Öffentlichkeit. (In Fortsetzungen hat auch „Der Märkische Bote“ damals Schicksalsberichte Betroffener veröffentlicht. Im Buch „Geschichte(n) aus Ströbitz“, CGA-Verlag 1996, berichtet Gerhard Nattke als Überlebender der Lager Ketschendorf, Jamlitz, Mühlberg und Buchenwald.)
Das sich den damaligen Nachkriegsverbrechen engagiert widmende Spremberger Ehepaar Gäßner hat für den Altkreis Spremberg, die Stadt selbst und 19 Gemeinden die Namen von 148 Männern, Frauen und Jugendlichen zusammengetragen, die unter fadenscheinigen Begründungen 1945 verhaftet wurden und ihre Familien nicht mehr wiedersahen. In dieser Liste befinden sich drei Angehörige der Familie Sinapius, die Brüder Adolf, Karl und Willi, 1880, 1882 und 1887 geboren, die unter den 11 890 Toten des Speziallagers Sachsenhausen ums Leben kamen.
Die Stadt Forst und 25 umliegende Gemeinden haben den Tod von 124 der 1945 in die Lager gebrachten Männer, Frauen und Jugendliche zu beklagen. Zwei Drittel der damals abgeholten Männer traf es hier. Allein in den Lagern Ketschendorf und Jamlitz, die zusammen 14 000 Gefangene fassten, starben bis zur Auflösung dieser Lager zu Ostern 1947 rund 8 000 ihrer Insassen.
Das unrühmliche Ende dieser Ereignisse oblag 1950 der SED- Führung unter Pieck und Ulbricht mit den Waldheimer Prozessen, in denen 3 400 Überlebende der Lager bestraft wurden. Der Jüngste unter den Angeklagten war 1945 bei seiner Festnahme durch die Russen 14 Jahre alt. Er bekam völlig unschuldig 20 Jahre Zuchthaus.
Anmerkung der Redaktion:
Das Speziallager Jamlitz bei Lieberose war als Speziallager Nr. 6 eines von zehn solchen Lagern der sowjetischen Militäradministration auf dem Gebiet der späteren DDR. Es wurde vom sowjetischen Geheimdienst NKWD im September 1945 in den Baracken des früheren Konzentrationslagers Lieberose, eines Außenlagers des KZ Sachsenhausen, eingerichtet. Das Jamlitzer Lager bestand bis April 1947, wobei rund 1000 der restlichen Häftlinge nach Russland deportiert und 4 400 auf Lager in Mühlberg und Buchenwald verteilt wurden. Mindestens 3380 waren zuvor umgekommen.
Gerhard Nattke, der als 15-Jähriger inhaftiert wurde, berichtete: „Anfang April 1947 wurde das Lager Jamlitz aufgelöst. Ich kam am Gründonnerstag mit dem zweiten Transport nach Mühlberg. Das KZ Mühlberg wurde im September 1948 nach den ersten Entlassungen aufgelöst. Ich kam nach Buchenwald und wurde vor Ort am 18. Januar 1950 entlassen. An meinem Entlassungstag haben wir festgestellt, dass von unserem Jugendzug A 1 aus Ketschendorf noch 16 überlebt hatten.“
Im Februar 1995 erhielt Gerhard Nattke von Russlands Militärstaatsanwaltschaft ein Rehabilitationsschreiben.



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