Fritz Handrow ärgert sich über Griechen und freut sich auf Andalusien / Selbst notorische Nörgler sind im Ort zufrieden:
Der Sommer verschnauft in frischem Wind. Es hat sich abgekühlt, trotzdem sind viele Plätze im Garten der „Koselmühle“ besetzt. Ein 75. Geburtstag, die Sportfrauen auf Radeltour, immer wieder, selbst abends noch, Wanderer. Karin (im Dirnd’l) und Horst Noack haben als Wirtsleute gut zu tun. Fritz Handrow kennt die meisten Gäste, geht von Tisch zu Tisch, herzt die fröhliche Karin und treibt Horst an: „Gleich zwei Bier!“ Noch ehe wir sitzen, sind die kühl Gezapften da, die Karten dazu. „Brauch’ ich nicht“, sagt Fritz, „Ich nehm’ Bauernfrühstück, wie immer.“ – Die Interview-Arbeit kann beginnen.
Wie oft ist „wie immer“?
F. HANDROW: Gelegentlich. Wir haben häufig Beratungen hier mit den verschiedensten Gremien – Abgeordnete, Vereine, auch Gespräche mit Unternehmern. Da wird dann auch gern regional gegessen.
…und – Stammtisch-Politik betrieben, oder?
In den gerade genannten Zusammenhängen nicht. Aber es stimmt, ich habe auch einen Stammtisch. Der tagt derzeit im Bowling. Den möchte ich nicht missen. Dort erfahre ich viel darüber, wie im Dorf gedacht wird, wie Beschlüsse draußen ankommen, wo ich am Kurs korrigieren muss.
Wird da auch das Thema EU und Griechenland erörtert?
Ein leidiges Thema, weil der Überblick verloren geht. Klar soll den Griechen geholfen werden, und ich bin sicher, dass Merkel und Schäuble zielführend agieren. Aber was lesen oder hören wir denn? Nur die Stimmungsbilder von Journalisten. Keiner weiß, was Schäuble sagt, aber alle palavern darüber, was er fühlt, vorhat oder eben nicht vorhat.
Ist da die beschworene Transparenz hinderlich?
Ach was! Die Leute vergessen, was Demokratie bedeutet, die wir so mühsam erstritten haben. In der Demokratie kann jeder sagen, was er denkt. Dann wird gestritten und es bilden sich Mehrheiten heraus. Und wie die Mehrheit entscheidet, wird dann gehandelt. Wer da mal unterlegen ist, muss das hinnehmen. In anderer Situation wird sein Wort vielleicht das stärkere sein.
Ist das im Dorf so angekommen?
25 Jahre nach der Wende können wir mit dem, was wir sehen, sehr zufrieden sein, denke ich. Wenn ich Meckerei höre, dass früher alles besser war, empfehle ich den freien Weg in den Sozialismus. In Nordkorea oder auf Kuba. Da gibt’s den noch. Aber das kannst Du schreiben: Mit Kolkwitz sind sogar die notorischen Nörgler zufrieden.
Der Quell solcher Zufriedenheit sind hier die Vereine. Welches sind die wichtigsten?
Karneval, Sport und Feuerwehr – ganz klar. Aber damit erschöpft sich das Bild nicht. Zum Beispiel hat Limberg die Lindenmusikanten. Und überhaupt haben die Limberger was drauf. Die Jugend dort sollte überlegen, mehr auf die Großgemeine auszustrahlen. Zum Beispiel beim Oktoberfest.
Der Festkalender wird offensichtlich immer reicher.
Ja, und die Ortsteile entwickeln Eigenes. Gerade lief die Beachparty in Babow. Was da die Feuerwehr und die Dorfjugend an Sand und Wasser bewegt haben, ist phantastisch. Tausende Leute haben da Spaß.
Hänchen hat den Weinberg mit Motocross, Limberg nächste Woche das 20. Bike&Rock-Festival. Jeder sucht sich etwas, das es woanders nicht gibt.
Aber die Leute lassen, wie man sagt, „die Kirche im Dorf“.
Richtig. Das ist die Erfolgsgrundlage. Wir sind Dorf und wollen Dorf leben.
Da wir mal dabei sind: Wie hältst Du’s mit Gott?
Gibt es ihn? – (Nachdenkliche Pause) Ich bin überzeugt von der Institution Kirche. Ob wir nun von Adam und Eva abstammen oder nicht – die christliche Religion, um die geht’s ja bei uns, bewahrt und vermittelt wichtige Werte. Und biblische Bilder können helfen, die Welt zu verstehen. Wer glaubt, wundert sich nicht über riesige Flüchtlingsströme. Von ihnen spricht längst die Bibel.
Bist Du oft beim Gottesdienst?
Ein paar Mal im Jahr, Nach Meinung unseres Pfarrers Natho sicher viel zu wenig.
Bei 60- oder 70-Stunden Wochen erklärlich. Und wie steht’s mit dem Urlaub?
Wir fahren seit Jahren immer zwei Wochen in die Türkei. Meine Frau braucht aus medizinischen Gründen viel Wärme. Der Süden tut ihr gut. Diesen Sommer fahren wir nach Andalusien. Stierkampf und Sonne. Wir freuen uns drauf.
Also ein Traumziel?
In gewisser Weise schon. Aber eigentlich träume ich von Alaska. Wenn ich mal jemanden treffe, der da hin will, schließe ich mich an. Die unendliche unberührte Natur. Das stelle ich mir großartig, wirklich erhebend vor.
Im letzten „Wort zum Sonntag“ (Handrows Brief an die Einwohner im Amtsblatt) gab’s Schelte für Leute die viel fordern, aber selten selbst zupacken. Nehmen die das übel?
Nein. Im Dorf sagt man sich Dinge direkt. Nicht verletzend, aber deutlich. Jeder weiß, wann er gemeint ist.
Ok. Dann: Schönen Urlaub!
Schreibe einen Kommentar