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Anmerkungen zum Stück „Frau Müller muss weg“ im Studio der neuenBühne Senftenberg.
„Die Müller muss weg! Das ist die Realität. Aus die Maus.“ So klar sind die Fronten, noch ehe die freundliche Leherin der 4b ahnungslos das Klassenzimmer betritt. Es ist im Studio der neuenBühne von dicken Seilen boxringartig umspannt. Ansonsten hat Barbara Fumian ein ziemlich durchschnittliches Schulzimmer gebaut, das vermutlich irgendwo in Sachsen steht, wo nach der 4. Klasse der Übergang zur Sekundarstufe fällig wird. Gymnasium oder etwa… Jeskow, der Wuppertaler Ingenieur spreizt sich förmlich, eine niedere Schulform auch nur auszusprechen. Mittel- oder Oberschule – wie heißt das hier überhaupt? Er schmuselt ein wenig mit seiner Frau Marina, die am liebsten weg will von hier, zurück nach Köln, wo alles viel besser wäre für Söhnchen Lucas. Erik Brünner und Marianne Thies geben dieses Ehepaar in fast vornehmer Zurückhaltung. Er weiß sich gefasst zu benehmen und will hierbleiben, denn er hat eine gute Stellung hier. Das bedenke! mahnt er seine Frau.
Bestimmend fuchtelt die Verwaltungsbeamte aus Mannheim mit der Unterschriftenliste herum und wiegelt auf: Kein Zurück – die Müller muss weg! Im Hosenanzug mit langen Knopfleisten an den Ärmeln gestikuliert Anna Schönberg wie ein selbsternannter Chef der Kompanie und weist die schlichte Görlitzer Museumspädagogin zurecht: Was sollen Blumen beim Standgericht! Hanka Mark hält sich immer etwas abseits. Ihr Fritz ist der Klassenbeste und Konfrontation liegt ihr nicht.
Ganz anders der Arbeitertyp von Tom Bartels. „Die Kuh!“ schimpft er und steigert sich zu Wutausbrüchen. Sein Anfall von Raserei, bei dem er immer wieder die sich vom Boden aufrappelnde Anna Schönberg umstößt, erinnert an das ständige Stolpern des Dieners im berühmten Sketch „Dinner for one“ und erzeugt heftige Lacher. Auf die zielt Regisseurin Anita Iselin, denn das Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz will das Publikum nicht ins Bildungs-Jammertal stoßen, sondern übertreibend das Dilemma einer neuen Eltern-Generation aufzeigen, die in der Genussgesellschaft jedes Maß für die Erziehung der Kinder verloren hat. Die Heldin der Klassenzimmerschlacht ist die verunglimpfte Lehrerin Sabine Müller, von Catharina Struwe ganz souverän ausgestattet. Natürlich zeigt sie sich geschockt von der Attacke, doch liegt sie im Vorteil, denn nur sie kennt die Kinder wirklich, um die hier in deren Abwesenheit so unsachlich verhandelt wird. Die Unverschämtheit der Eltern geht ihr zu weit, die verlässt türknallend das Klassenzimmer und läßt in ihrer Rage ihre Tasche auf dem Lehrertisch liegen.
Es dauert nicht lange, da entpuppen sich die Väter und Mütter als ziemlich unreife Individuen und schnüffeln nach den Zensuren im Klassenbuch. Welche Überraschung: die sind weit besser als die aus Klassenarbeiten bekannten. Hat Frau Müller womöglich doch eine Methode, die lieben Kinder, die Unterschriften fälschen, Schulstunden bummeln und auch sonst nicht musterhaft streben, aufs Gymnasium zu bringen?
Wie es kommt, dass am Ende alle wollen, dass Frau Müller bleibt, nur sie selbst wohl nicht, sollten Sie im Theater erleben. Bei allem tiefen Ernst des Themas ist das Stück außerodentlich vergnüglich und hier mit Witz und klarer Sprache gespielt. Wir sahen nicht die Premiere, sondern am vergangenen Sonntag die erster Vorstellung danach. Es gab hier herzlichen Beifall und in den Gesprachen danach viel Anerkennung. Im Programmblatt sind einige Aspekte der Schulpolitik andiskutiert. Warum gibt es heute so viele Einser-Abiture? Muss wirklich jedes zweite Kind aufs Gymnasium? Und: Wie kommen Hochschulen mit den Schulabgängern klar, die bei Pisa gar nicht so gut abschneiden? Ernste Fragen sind angedeutet, aber gespielt wird erfrischend. Am 1. Weihnachtstag und am 28. Dezember, jeweils 19.30 Uhr, steht im Studio wieder die Frage: Muss Frau Müller weg? J.Hnr.
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