Stadtverordnete wollen Einwohnern und Gästen „nichts vormachen“ / Erst die Leute mitnehmen:
Senftenberg (trz). Die Stadt Senftenberg wird kein Teil des sorbischen/wendischen Siedlungsgebietes im Land Brandenburg. Das haben die Stadtverordneten mehrheitlich be-
schlossen. Sie sehen heute kaum mehr aktuelle Berührungspunkte zur slawischen Minderheit in der Lausitz. Bereits im Hauptausschuss ist über dieses Thema intensiv diskutiert worden. Tenor der Abgeordneten: Mit dem Beitritt Senftenbergs zum Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden würde man den Einwohnern und Gästen etwas vorspielen, was es so gar nicht mehr gibt. Schließlich wurden bereits zu DDR-Zeiten die zweisprachigen Tafeln, unter anderem die Ortseingangsschilder, gegen rein deutschsprachige Exemplare ausgetauscht. Warum und wann das genau geschah, konnte selbst Meto Nowak aus dem Potsdamer Bildungsministerium, der sich für einen Beitritt der Senftenberger starkmacht, nicht recherchieren. Bislang sei er nicht auf entsprechende Hinweise gestoßen. Darüber hinaus, so argumentieren die Senftenberger Abgeordneten, dürfte es in der Stadt heute kaum mehr jemanden geben, der die westslawische Sprache beherrsche und diese im Alltag auch anwende.
Land in der Pflicht
Selbst Bürgermeister Andreas Fredrich (SPD) sieht die Frage der Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet mit gemischten Gefühlen. Er hätte es für günstiger befunden, wenn das Land Brandenburg mit Projekten an die betroffenen Städte herangetreten wäre, um bei den Einheimischen Freude und Stolz über deren sorbische/wendische Wurzeln zu wecken. Dann wäre die Entscheidung der Parlamentarier in Senftenberg womöglich anders ausgefallen. „Erst die Leute mitnehmen, dann über die Aufnahme ins Siedlungsgebiet diskutieren“, so der Senftenberger Bürgermeister. Die Befürworter der jetzt abgelehnten Vorlage hatten neben der Vergangenheit auch mit bereits neu initiierten Vorhaben argumentiert. Beispielsweise mit den wendischen Gottesdiensten im Bürgerhaus Wendische Kirche. Oder mit den Sprachkursen in der Seestadt. Oder mit der Neugründung der Domowina-Ortsgruppe vor wenigen Jahren.
Neu belebt
Die Historie Senftenbergs und seiner Umgebung war jedenfalls ganz klar durch Sorben/Wenden dominiert. Am Ende des 19. Jahrhunderts, so hat der Ethnograf Arnost Muka zur damaligen Zeit herausgefunden, hatten fast 90 Prozent der heimischen Bevölkerung einen sorbischen/wendischen Hintergrund. Diese Zahl sank in den darauffolgenden Jahrzehnten aufgrund des massiven Zustroms deutschsprachiger Industriearbeiter in die Tagebaue, Brikettfabriken und Kraftwerke massiv ab. Nicht zuletzt galt es als „unmodern“ beziehungsweise als „rückständig“, sorbisch/wendisch zu sprechen. Daher erfuhr die Sprache eine massive Verdrängung.
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