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Anmerkung zu ‘Aus dem Nichts’, Regie S.Chancrin
Senftenberg. Es sind diese reality shows, die uns Ahnungslosen bisweilen den Atem stocken lassen. Vielleicht muss das sein.
Sonntagabend am letzten Wochenende. Der Saal in der neuenBühne war nur mäßig besetzt kurz vor der „Tatort“-Zeit. Das Stück läuft bereits seit September, und es prickelt mehr, als mancher gute TV-„Tatort“.
„Aus dem Nichts“ von dem Hamburger Deutsch-Türken Fatih Akin gehört zur Gattung Scheußlichkeit und lief als Thriller in den Kinos, 2018 mit dem Golden Globe ausgezeichnet. Samia Chancrin spielt darin die Freundin der Protagonistin Katja. Hier in Senftenberg führt sie Regie, macht Tempo und gibt den Ermittlern, aber auch der Verteidigerin (Catharina Struwe) abgründige Verschlagenheit. Die Drehbühne rotiert, Sequenz um Sequenz, wie im Film, wird abgespult, Hektik herrscht, selbst bei der Hochzeit im Gefängnis – nur die Ermittlungsmaschinerie nimmt sich alle Zeit der Welt. Aufreizend träge schnüffelt Fischer (Jan Mixsa) in Katjas Bett und Leben. Die wird von einer verzweifelt suchenden Marianne Helene Jordan gegeben. Deren Mann und Sohn sind Opfer eines sinnlosen Anschlags geworden. Schlimm genug. Aber die Ermittlungen klären nicht auf, sondern richten sich gegen die Frau aus ausländerfreundlichem Milieu. Ihre schreienden Fragen will niemand hören. Wer deckt hier wen?
Der NSU-Skandal klingt unausgesprochen an. Pannen und Merkwürdigkeiten sind nicht Zufall. Ein brisant inszeniertes Gericht stellt die Wirklichkeit im Kreuzverhör auf den Kopf. Die Anordnung des Schwursaales will es so, dass da, wo die Richter hingehören, das Publikum sitzt. Die Rechte bietet mit Dimitrij Breuer einen gewieft-aggressiven Anwalt auf, dem die Zeugen und auch die Gegenseite nicht gewachsen sind. Die Handlung verläuft spannend, auch weil Schauspieler ihre sehr unterschiedlichen Rollen (meistens drei) souverän im Griff haben. Welchen Spruch macht Rechtsstaatlichkeit möglich, wie fragil ist die Ehe aus Recht und Gesetz? Das Publikum weiß ein angemessenes Urteil, die Richterstimme aber spricht zwei längst Überführte frei.
Betroffenheit im Saal. Verzögert enormer Tatort-Beifall J.Heinrich
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