„Wenn das kollabiert, werden wieder Millionen Rückzahlungen fällig“

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Sommer-Gespräch mit Felix Sicker, seit März ‘17 Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Lausitz. Die Liberalen hatten ihren Vorstand verjüngt und wollten sich für die spürbar bessere „Verzahnung der Verwaltungen“ als Alternative zur später gescheiterten Gebietsreform einsetzen. Sie waren in dieser Angelegenheit kaum zu hören. Doch Sicker engagiert sich in der KonKita-Debatte. Aktuelle Beiträge sind „unbillig“ bestätigt ihm jetzt ein Amtsgerichts-Urteil F.: J. Heinrich

Die Cottbuser Elternbeitragstabelle für Krippen-Kinder hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

 

Cottbus. Wieder einmal wuchern in Cottbus Gebühren und Kosten – diesmal vor allem zu Lasten beruflich erfolgreicher junger Eltern, die schon gut verdienen, aber neben der Versorgung ihrer Wunschkinder auch noch andere Pläne verwirklichen möchten. Cottbus ist dafür kein guter Boden. Mehr noch: Die Stadt als Träger der Jungendhilfe fasst den jungen Eltern gesetzwidrig tief in die Taschen. Das hat im Frühjahr ein Urteil des Amtsgerichts formuliert: „Die Beitragserhöhung…mit Festsetzungserklärung vom 25.7. 2016 ist unbillig.“
Wir sprachen darüber mit Felix Sicker, FDP-Kreisvorsitzender Lausitz und Mitglied des Elternbeirates, der sich achtwöchentlich in Cottbus trifft.
Bund hält sich raus
Die Kinderkrippen- und Kindergartenbetreuung (die erste von 0 bis 3 Jahre, die zweite bis 6 Jahre, beides zusammen unter dem Begriff Kindertagesstätten, kurz Kita, zusammengefasst) geriet in Deutschland seit Jahren zum Streitobjekt. Nachdem sich DDR-Praxis, Kleinkinder einen bedeutenden Tagesteil gemeinschaftlich aufwachsen zu lassen, durchsetzte, gibt es ohne Unterlass Streit ums liebe Geld. Felix Sicker und die mit ihm nach Lösungen Suchenden, beklagen: Der Bundestag hat das Recht auf Kitaplätze eingeführt, hält sich aber bei der Finanzierung dieses Zukunftsprojektes zurück. Die Verantwortung teilen sich folglich die Kommunen und Kreise (in Falle der kreisfreien Stadt also nur Cottbus) und das Land. Gesetzlich in der Pflicht ist, um bei Cottbus zu bleiben, die Stadt, die jeweilige Träger beauftragt. Was die Betriebskosten betrifft, so trägt die zu 60 Prozent das Land, 40 Prozent sind als Gebühren umzulegen. Darüber herrscht Konsens. Brisant wird es aber bei den Personalkosten. Die gehen, so die Auffassung von Felix Sicker, zu Lasten der Stadt, die diese hoheitliche Aufgabe der Kinderbetreuung als Pflicht hat. Dass ihr das Land 80 Prozent der Kosten für das Personal zusagt, letztlich aber deutlich weniger überweist, kann nicht zur Erhöhung des Elternbeitrags führen.
Mehr als verdoppelt
Der gut verdienende Vater von zwei Kindern schüttelt den Kopf über die „Elternbeitragstabelle“. In der Krippe galten bis unlängst bei täglicher Betreuungszeit von 8 bis 10 Stunden Maximalbeiträge von 210 Euro. Jetzt sind das 443 Euro pro Monat für das erste Kind, bei zwei Kindern je 351 Euro. Es kommen jeweils noch die Kosten für das Essen hinzu. Junge Eltern, die so veranschlagt werden, sind empört. Erstens über die Höhe des Betrages und zweitens darüber, dass ihre Kinder dafür die exakt gleiche Leistung empfangen wie Kinder, deren Eltern 13 Euro im Monat zu zahlen haben. Felix Sicker: „Wir widersprechen.“ Dieser Widerspruch wird aber zurzeit nicht gehört.
Das Urteil
So hat Felix Sicker also auf dem Klageweg die Rechtssicherheit gesucht. Im Urteil (Az.: 43 C 340/16) des Amtsgerichts wird begründet: „Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Feststellung, dass der festgesetzte Betrag unbillig ist. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ist unstreitig gemäß § 315 BGB ein einseitiges Bestimmungsrecht der Beklagtenseite (Stadt, d. Red.) bezüglich der Höhe der Leistung festgesetzt worden. Danach ist die Beklagtenseite gehalten…, eine billige Leistung zu fordern. Die getroffene Bestimmung ist unbillig, wenn das wie in diesem Fall eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht ermessensfehlerhaft oder nicht richtig ausgeübt worden ist, nicht im Bereich des marktüblichen und dem nicht entspricht, was für eine vergleichbare Leistung verlangt wird.“ Weiter unten heißt es zu den städtischen Kalkulationen, die im Verfahren erst nachgefordert werden mussten: „Insoweit ist der Einwand der Klägerseite, dass die Positionen willkürlich gewählt werden und nicht auf einer realen Grundlage beruhen, wohl richtig.“
Millionen laufen auf
Es sei davon auszugehen, so Sickert, dass auch viele andere Eltern die willkürlich veranschlagten Beiträge anfechten. „Wenn das kollabiert und eine Normenkontrollklage durchgeht, wovon auszugehen ist, werden in Cottbus, ganz ähnlich wie in den skandalösen Altanschließer-Verfahren, erneut Rückzahlungen in Höhe vieler Millionen Euro fällig“. Bei ihm selbst hat sich der Wert bereits auf über 3000 Euro summiert.
Als junger Politiker hält Felix Sicker die Konfrontation mit den Bürgern für keinen erträglichen Politik-Stil. Die Stadt müsse ihren Pflichtaufgaben nachkommen. Dazu gehört die angemessene Finanzierung der Kinderbetreuung.
Die Beitragsfreiheit
Der FDP-Mann bezeichnet das ab 1.8.2018 wirksame beitragsfreie Jahr vor dem Hintergrund der tatsächlichen Probleme als „Wahlgeschenk“. Einige Kommunen hatten solche beitragsfreien Jahre oder gänzlich beitragsfreie Kinderbetreuung in steuerstarken Jahren schon eingeführt, haben das aber wieder aufgehoben. Jetzt werde von einem kalkulierten Durchschnitt pro Kind und Monat von 135 Euro ausgegangen, die die jeweiligen Träger erhalten. Sie wurden aufgefordert, tatsächliche Beiträge zu berechnen, haben dazu aber weder die Unterlagen, noch das Personal noch das Recht, die Leute auszuforschen.
Felix Sicker meint, bevor Beitragsfreiheit als politische Fahne geschwenkt wird, müsse erst Ordnung in die Bestände gebracht werden. Er hält es zudem für bedenklich, dass es in den verschiedenen Kommunen je nach deren wirtschaftlicher Lage für die Eltern große Unterschiede in den Beiträgen gibt.
Die Betreuungszeit
Eine Frage der zeitgemäßen Qualität ist die der Betreuungszeit. Hier hat sich die Fröbel-Gruppe für Verbesserung eingesetzt. „Im Gesetz ist ja nur die Rede von der Mindestbetreuungszeit von sechs Stunden, die 8-10-Stunden-Marke gibt es dort gar nicht“, kritisiert Sicher den schwammigen Kita-Gesetz-Hintergrund. Wenn es aber um Kinder aus leistungsstarken, den Staat finanzierende junge Familien gehe, müsse über eine entsprechende sinnvolle Betreuung, nicht Aufbewahrungszeit besprochen werden. Wenn Eltern Vollzeit arbeiten, und das nicht gleich vor der Haustür, müssen Kitas wenigsten bis 18 Uhr im Dienst sein.

Der Cottbuser Felix Sicker engagiert sich mit seinen Freien Demokraten in Cottbus und Spree-Neiße für bürgerfreundliche Politik. Er wird wohl in diesem Sinne auch für den Landtag kandidieren.