Kritische Anmerkungen zum Verkauf der Cottbuser Schlosskirche

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Die Schlosskirche, prägendes Bauwerk auf dem nach ihr benannten Platz und in der Sprem, wurde als Emigrantenkirche (1701) zum Symbol für Toleranz. In den 1980er-Jahren war sie das Dach für Andersdenkende in Kunst und Gesellschaft | Foto: CGA

Kritische Anmerkungen einer Cottbuserin
Es wird immer viel darüber gesprochen, dass die Religionen einander achten sollen.
Hier gibt es auf beiden Seiten keine Achtung. Es ist keine Achtung, wenn eine jüdische Gemeinde eine christliche Kirche nicht kauft, sondern kaufen lässt, um sie zu zerstören. Selbst die Zerstörung braucht sie nicht selbst wahrzunehmen – das erledigt für sie die Stadt Cottbus, die sich bereit erklärt hat, alle christlichen Symbole aus und an der Schlosskirche zu entfernen. Es wurden schon einmal Kirchenglocken abgehängt – für den Krieg.
Eine Jüdische Gemeinde kann sich in jedem Wohnhaus eine Synagoge einrichten, das man für einen Bruchteil des Geldes erwerben kann, das hier an Steuergeldern in die Oberkirche fließen soll. Um eine Synagoge einzurichten, muss man keine christliche Kirche zerstören.
Die Amtsträger der Oberkirche haben bereits vor fünfzehn Jahren auf unfaire Weise die Bodelschwingh Gemeinde entmündigt, enteignet und zerstört. Sie haben die Kirche der Gemeinde verkauft, hinter deren Rücken und gegen den Willen der Eigentümer, und eine Kneipe daraus gemacht. Unterstützung erhielten sie dabei von ihren Vorgesetzten, die es nicht störte, dass dieses unchristliche und amtswidrige Handeln auf das Gesamtbild Kirche fällt. Mit den angeeigneten Geldern haben sich die Amtsträger eine Luxusresidenz eingerichtet. In einem leeren, völlig überschuldeten Gebäude, zu dem keine Gemeinde gehört (jedenfalls keine, die in der Lage ist, ein solches Gebäude zu unterhalten), in welchem ein Superintendent, ein Geschäftsführer und ein Künstler unterhalten werden. Das kann man alles tun, aber bei Kirche sollte man davon ausgehen dürfen, dass es auf ehrliche Weise geschieht. Die angeeigneten Gelder des Bodelschwingh-Ertrages wurden für die Luxussanierung ausgegeben, die Schulden sind geblieben. Um die eigenen Pfründe abzusichern, muss neues Geld her. Da der erste Betrug mit Billigung und Unterstützung der Vorgesetzten so gut funktioniert hat, wird jetzt die nächste Kirche verscherbelt.
Die Schlosskirche ist ein historisches Gebäude mit einmaliger Geschichte. Sowohl Kirche als auch die Stadt Cottbus tragen Verantwortung, ein solches Gebäude, das zu allen Zeiten eng mit der Geschichte der Stadt verbunden war, zu erhalten und zu unterhalten. Pfarrer Gröpler hat das Nagelkreuz von Coventry in die Schlosskirche geholt. Kantor Graap hat wöchentliche Orgelandachten gehalten. Auch nach dem Wegzug von Pfarrer Gröpler und dem Ruhestand von Kantor Graap, die beide zur Klosterkirche gehörten, und nicht zur Oberkirche, gab es Andachten. Die Schlosskirche hat 300 Jahre überlebt, in denen es mehr schlechte als gute Zeiten gab. Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Stadtbrände – alles hat sie überlebt. Die Menschen waren arm, aber ihre Kirche haben sie erhalten. In diesem reichen System hat nur eine Überlebenschance, was Geld einbringt. Achtung vor den Leistungen der Vorfahren bringt kein Geld ein. Offen bleibt die Frage, auf welchen Wegen für die bereits aus Steuergeldern sanierte Schlosskirche 582 000 Euro Steuergelder in die Oberkirche fließen sollen, deren Amtsträger seit fünfzehn Jahren auf Kosten der von ihnen zerstörten Bodelschwingh Gemeinde leben.
Soweit ich weiß, gab es in den siebziger Jahren einen Vertrag, der der Stadtmission für 99 Jahre das Nutzungsrecht der Schlosskirche zusprach. Diese 99 Jahre sind noch längst nicht um. Was ist mit diesem Vertrag geschehen? Seltsamerweise ist gerade auch die Frist abgelaufen, in der die Oberkirche bei einem Verkauf der Schlosskirche die für die Sanierung gezahlten Steuergelder hätte zurückzahlen müssen.
Viele Fragen, aber keine Antworten. Der Steuerzahler kann nicht darauf vertrauen, dass sein schwer verdientes Geld, das ihm vom Lohn und selbst noch von den bereits versteuerten Rentengeldern abgezogen wird, dort eingesetzt wird, wo es nötig ist. Lobbyisten verstreuen Steuergelder nach persönlichem Gutdünken. Christen sagen, auf begangenem Unrecht ruht kein Segen. Das hat allerdings Menschen ohne Gewissen zu keinen Zeiten davon abgehalten, Unrecht zu begehen. Hier wird Gott Mammon angebetet. C. Dietrich

 

Leserbriefe zum Verkauf der Cottbuser Schlosskirche

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Die Nutzung der Schlosskirche hat bisweilen irritiert. Generalsuperindendent Rolf Wischnath (l.) musste sich im Sommer 2000 für sein Fahnentuch auf dem Altartisch kritisieren lassen. Kurz danach trat er aus dieser Partei aus. Neben ihm bei einem Forum Angelika Herferth und Werner Labsch (†). Mitte/halblinks das Nagelkreuz aus Coventry, das Pfarrer Helmut Gröpler mit seiner Jungen Gemeinde hierher brachte

Die Cottbuserin Christa Dietrich hat in einem ausführlichen Leserbrief (Ausgabe vom 10.5., Seite 2, nachzulesen unter www.maerkischer-bote.de) ihre Bedenken zur Umwandlung der christlichen Schlosskirche in ein jüdisches Bethaus dargelegt. Es gibt dazu unterschiedliche Reaktionen von weiteren Lesern.
Edith Loewitz aus der Finsterwalder Straße schreibt:
Na endlich! Ich hatte schon gedacht, dass dieses Thema keine Cottbuser Seele interessiert. Mir drängte sich der Verdacht auf, dass es einen „Maulkorb-Erlass“ gebe!
Alle Beteiligten mögen diesen Verkauf gut überdenken; denn diese Ruhe ist jetzt „eine Ruhe vor dem Sturm!“ Spätestens wenn das Kreuz abgenommen wird, kommt es zu Auseinandersetzungen. Wie zu lesen war, hat die Polizei einen Einsatzplan erarbeitet. Ein jetzt gutes Verhältnis zur jüdischen Gemeinde könnte sich – ohne Not – in das Gegenteil verkehren. Das kann von der Stadt nicht gewollt sein. Die Verantwortlichen haben genügend „Baustellen“, die schwer zu reparieren sind. Aus diesem Grunde lohnt es sich, nochmals über ein anderes Gebäude nachzudenken, in welchem die jüdische Gemeinde ihre Andacht verrichten kann.

Renate Flemming aus der Körnerstraße meint:
Ich gehöre zwar keiner Religion an, aber ich danke Frau Dietrich, dass sie mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gegangen ist. In meinem Freundeskreis haben wir uns über diesen Deal (verdient keine andere Bezeichnung) auch echauffiert. Wo bleibt der Protest der Cottbuser Christen? In dieser ernsten Angelegenheit müsste er von den Vertretern der CDU mit aller Entschiedenheit geführt werden. Doch diese tummeln sich ja meistens vollmundig auf Nebenschauplätzen.
Die Zeiten, in denen man hierzulande selbst nicht vor Sprengung und Abriss von Kirchen Halt gemacht hat, liegen noch nicht sehr lange zurück. Es ist beschämend zu lesen, dass Vertreter der Kirche ihre Finger mit im Spiel haben. Ein Sprichwort lautet: „Wo Gott die Tür schließt, da öffnet der Teufel ein Fenster“.
Ich bin weder judenfeindlich, noch rechts.

Karin Lux äußert sich kurz per E-Mail:
Ich kann mich der kritischen Anmerkung der Frau Christiane Dietrich nur anschließen. Sie hat es genau auf den Punkt gebracht. Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Vielen Dank für diese kritische und sachliche Bemerkung!

D. Noack hat ebenfalls den Weg der E-Mail gewählt:
Das kirchliche Immobilienschachern ist würdelos. Es war aber wohl das Fehlen einer Gemeinde, das dem kleinen Kirchlein in Sandow leider das Aus brachte. Das bleibt bedauerlich. Mit der Schlosskirche liegt es anders, weil sie eine bedeutende stadtgeschichtliche Rolle hat. In jüngerer Zeit auch als Ort des Gedenkens an Coventry. Das Nagelkreuz, Friedenssymbol aus Nägeln, die aus den Trümmerbalken der ersten von nazideutschen Bombern zerstörten englischen Kirche geborgen wurden, befindet sich in der Schlosskirche. Ein heiliger Schatz! Den schleppt man nicht rum! Der soll hier bleiben.
Ihre Leserin schreibt einen Satz, der sei unser aller Losung: „Um eine Synagoge einzurichten, muss man keine christliche Kirche zerstören.“ Wie wahr!

Peter Truppel übergibt uns seine Antwort auf den Leserbrief:
Diese „kritischen Anmerkungen“ kann und darf man so einfach nicht stehen lassen. Um was geht es eigentlich? In Cottbus war vor dem letzten großen Krieg eine starke jüdische Gemeinde beheimatet, die über eine Synagoge verfügte. An
dieses Bauwerk erinnert eine Gedenktafel in der Nähe der Stadtwerke. Es wurde von fa­natischen, meistenteils uniformierten Cottbuser Bürgern zerstört. Jetzt hat sich in Cottbus wieder eine jüdische Gemeinde, vorrangig aus Umsiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion und osteuropäischen Ländern, gebildet. Über 300 Personen. Darauf können wir Cottbuser stolz sein. Menschen jüdischen Glaubens setzen Vertrauen in uns. Mit dem Wachsen der jüdischen Gemeinde kam der Wunsch nach einer neuen Synagoge. In einem langwierigen Prozess hat man sich entschieden, ein Angebot der christlichen Kirche anzunehmen, und in der Schloßkirche eine Synagoge zu weihen.
Hier wird keine christliche Kirche zerstört, sondern umgewidmet. Ich bin dankbar, dass unsere Stadtverwaltung im Rahmen ihrer sehr begrenzten Möglichkeiten dieses  Projekt unter­stützt. Vielleicht empfinden Cottbuser, die nicht jüdischen Glaubens sind – ich gehöre auch dazu – diese neue Synagoge als eine Art Wiedergutmachung an dem Unrecht, das Cottbuser den jüdischen Mitbürgern in Zeiten des Nazi-Terrors angetan haben.
Über Finanzierung und Erlöse bin ich nicht informiert. Frau Dietrich wittert Betrug, missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern und Misswirtschaft in kirchlichen Gremien. Über die Verwendung der Mittel entscheiden die Kirchen mit ihren gewählten Gremien, die Kontrolle üben die Mitglieder der Gemeinden aus. Ich bin
sicher, dass dies verantwortungsbewusst geschieht und Misswirtschaften, wie bei katholischen Christen in Bamberg, in Cottbus undenkbar sind.
(Der Text ist stark gekürzt)

Der Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch befasst sich mit dem Thema:
In Cottbus passieren seltsame Dinge. Mitten in Cottbus steht die Schlosskirche, Symbol des Widerstandes und der Toleranz. Sie soll seitens der evangelischen Kirche abgegeben werden – der jüdischen Gemeinde fehlt eine würdige Synagoge. Das Land Brandenburg gibt über eine halbe Millionen Euro für Erwerb dazu, die jüdischen Organisationen bezahlen den Umbau.
Das Vorhaben stößt  in Cottbus auf große Skepsis, die ich ausdrücklich teile.
Selbstverständlich brauchen wir eine Synagoge in Cottbus – auch in der Stadtmitte. Allein mit dem Geld vom Land würde sich eine geeignete Immobilie finden lassen. Warum dann diese Kirche? Die evangelische Kirche erklärt sich hierzu nicht. Keine Erläuterungen oder Diskussionen. Das hat wenig mit Transparenz  zu tun. Auch das Land und die Stadt halten sich bedeckt. Warum? Vieles wird im Geheimen realisiert. Als evangelischer Christ kann ich das Handeln der  Kirche nicht verstehen. Ich fordere sie auf, Informationsveranstaltungen zu realisieren, die zusammen mit der jüdischen Gemeinde veranstaltet werden. Was soll wann wie entstehen?
Offenheit ist angebracht – auch, um rechten Rattenfängern keine Argumente zu liefern.

Gudrun Perko aus Cottbus schreibt:
Dem Artikel von Frau Dietrich kann ich nur in jeder Hinsicht zustimmen! Bravo für die offenen Worte! Hinzufügen möchte ich noch, dass die wahrscheinliche Anwesenheit von Polizei vor der Schlosskirche/
Synagoge dem Image der sowieso schon geplagten Sprem weiteren Schaden zufügen könnte.

Andrea Lange mailt:
Potsdam gelingt es nicht, eine Synagoge zu bauen, Cottbus ist bereit, die erste im Land zu befördern. Gut, dass dafür vom Finanzminister 582 000 Euro zugesagt sind (rbb von 17.4.); anständig, dass Cottbus jährlich 50 000 Euro Betriebskosten beisteuert. Nicht schlüssig ist die Idee, die mit großem Aufwand seit 1992 sanierte und zur Begegnungsstätte Bedürftiger ausgebaute Kirche dafür aufzulassen. Es gibt keinen Sinn, den Ärmsten das Dach überm Kopf zu entziehen. Ist das sozial?

Zum Thema lesen Sie in unserer kommenden Ausgabe ein Gespräch mit Superintendentin Ulrike Menzel