Beim Urenkel des Propheten Mohammed (Reisebericht Teil 11)

Aus römischen Mauern zum Grab des Staatsgründers und ins königliche Meknès.

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Der zentrale Platz von Meknés ist Baustelle, das berühmte Stadttor Bab Mansour mit Fotoplane verhüllt.
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Üppige Kirschblüte lässt auf gute Ernte hoffen.

Ja, wir haben eine üppige Kirschblüte erlebt am Fuße des Mittleren Atlas, und auf den Dächern, Strommasten und sogar Minaretten fütterten die Störche Mitte April ihre Brut. Frühlingsstimmung am Ende des Ramadan und beste Zeit für uns, den eigentlich wichtigsten Ort des Landes zu besuchen. Er liegt in Sichtweite der antiken Stadt Volubilis, deren Mosaike wir im letzten Beitrag zeigten. Hierher, in römische Mauern, die damals Walili hießen, verschlug es nach familiärem Konflikt Idris ibn Abdullah, einen Urenkel Mohammeds, des islamischen Religionsstifters. Er fand Zuflucht bei Berbern, die ihn als ihren Imam anerkannten. Er schuf einen weiten Machtbereich und gründete das erste unabhängige marokkanische Reich, wurde aber 792 vergiftet. Sein Grab legten die Getreuen auf einem nahen Fels des Djebel Zerhoun an. Es gilt mit dem dazugehörigen Städtchen als Wallfahrtsort. Bis 1912 war der für „Ungläubige“ nicht zugänglich, und erst seit 2005 dürfen Ausländer hier übernachten. Noch heute kommen – zum Glück – kaum Touristen nach hier. Die Stadt auf zwei Hügeln, in deren mittlerer Senke das Heiligtum von den für Moscheen typischen grünen Ziegeln bedeckt ist, besteht aus weißen Häusern und entbehrt aller orientalischen Hektik. Wir fahren die steile Straße hinauf bis zum Schulplatz und sind bald von Kindern umringt, die wissen, was uns noch gar nicht bewusst ist: Wir müssen den besten Aussichtspunkt über dem Allerheiligsten finden!

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Der Weg zum heilgen Grab endet für uns vor der Schranke.
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Entspannter Alltag in der heiligen Stadt Moulay-Idris.

Die Kinder, von unserem Terrier begeistert, führen uns durch enge Gassen, über steile Treppen, durch mehrere Tore und Türen schließlich auf einen nicht ganz bausicheren Balkon. In traumhaftem Anblick liegt unter uns die kleine, enge Stadt, links die Grabanlage, zu der ein langer Gang vom weiten Platz der öffentlichen Begegnung führt. Dort unten genießen wir später unseren heißen, zuckersüßen Minttee und beobachten das entspannte Kleinstadt-Treiben. Wir hatten zuvor auch schon das zylindrische, ganz mit Koransuren beschriftete Fliesen-Minarett entdeckt, das einzigartig in Marokko sein soll, allerdings erst 1939 erbaut wurde. Uns scheint, dies ist einer der schönsten Orte im Land. Gläubige dürften das ähnlich sehen, denn fünf Pilgerfahrten nach hier ersetzen einem eine (extrem teure) nach dem fernen heiligen Mekka. Unser Weg führt nun in die Hauptstadt der Region, nach Meknès, unsere dritte von insgesamt vier Königsstädten. Wir werden nicht sehr viel Zeit in diesem prächtigen Ort brauchen, denn er bietet sich uns als eine einzige Großbaustelle dar. Viel Geld und fachliche

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Eines der prächtigen Tore in der 40 Kilometer langen Mauer von Meknès.

s Können wird investiert, um die offenbar lange vernachlässigte Pracht tourismustauglich und dabei kulturhistorisch sauber herzustellen. Um einen Eindruck von der Medina (Altstadt) aus dem 10. Jahrhundert zu gewinnen, mieten wir eine Kalesche und geraten an einen überaus eifrigen Kutscher, der allen Ehrgeiz aufbringt, sogar dicht ans Tor des königlichen Gartens zu gelangen, in den wir einen Blick werfen können. Unterdessen hat sich die Deichsel der Kutsche im Bauzaun verheddert, und der Mann hat Glück, dass ich mit Pferden umgehen und ihm den Gaul abnehmen kann.

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Vom „Touri“ zum Pferdeknecht – wenn man helfen kann, packt man auch in einer Königsstadt gern zu…

Drei Männer rücken das Gefährt in die Spur, und weiter geht es. Umstrittenen Ruhm erlangte der Despot von Meknès, Mulai Ismail (1645-1727), zweiter Sultan der bis heute regierenden Alawiden-Dynastie. Um seinen weißen Sarkophag wurde, teils noch zu seinen Lebzeiten, ein prächtiges Mausoleum errichtet. Ismail machte Meknès zur größten Festungsstadt Nordafrikas, umgeben von heute größtenteils erhaltenen Mauern mit prunkvollen Toren.Der Bewunderer des französischen Sonnenkönigs ließ 30 000 zumeist europäische Sklaven für sich arbeiten und fällte willkürlich Todesurteile, die er, je nach Laune, selbst vollstreckte. Man nennt ihn daher „den Blutigen“, aber Geschichtsschreiber heben nun seine Verdienste hervor; immerhin habe er mit strenger Hand das Reich geeint. Wir schauen uns im Museum und in den Souks mit ihren vielen prächtigen Mosaik-Brunnen um, sehen die schönen Fortschritte der Restauratoren und genießen wieder die Düfte aus 1001 Nacht.

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Moulay-Idris mit seinem Heiligtum (links unter grünem Dach), dem Grab des Staatsgründers Idris I. Rechts liegt der große Platz der Begegnung. Wir selbst haben fürs Foto durch schmale Gassen den Gegenhügel erklommen.