„Verflixt und zugenäht, die Qualität“ – sie stimmt.

Cottbus. Volkseigener Frohsinn in entfesselter musikalischer Ausgelassenheit. Worum geht es da? „Verflixt und zugenäht – um Qualität!“ natürlich, singt Gütekontrolleur Nils Stäfe, und er hat weder bei den Klamotten vom VEB Berliner „Chic“ etwas zu beanstanden, noch an der frischen Inszenierung in der Regie von Katja Wolff, denn das reimt sich nicht nur, sondern triff in beiden Fällen voll und ganz zu. Johannes Zurl untermalt mit dem Philharmonischen Orchester schönste Stimmungen des Musicals, von der „Welt, die sich ein Stelldichein gibt“ in Leipzig auf der Messe über Kuckucks „Kritik-Tango“ (Heiko Walter) und die pointierten Couplets bis zum Liebes-Rausch im „Rote Rosen“-Schmalz. Große Aufgaben löst gänzlich unbeschwert der Chor (Christian Möbius), und zehn Damenbeine des Balletts bereichert geradezu federleicht der in seiner Führungsrolle versagende und doch so sympathische Robert Kuckuck, in den sich Heiko Walter von Szene zu Szene souveräner hineinsteigert. Das Publikum jubelt, applaudiert begeistert nach jeder musikalischen Nummer und staunt: Ein DDR-Musical ganz ohne Häme!?
Tja, 1999, als „Gisela“ zum zweiten Male (mit Erfolg!) im Cottbuser Spielplan stand, war man noch nicht ganz so weit, ließ Komparsen als „Polizei“-Beobachter im Publikum verteilen und hielt sich etwas auf Distanz. Zur ersten Inszenierung mit Ingrid Braun in der Titelrolle hatte Komponist Gerd Natschinski (1928-2015) 1960 die Cottbuser Premiere noch selbst dirigiert, doch das Libretto von Jo Schulz zerschellte im Jahr danach an der Mauer; es wecke Reisegelüste, hieß es. „Messeschlager Gisela“ verstummte vorerst. Nun aber darf der VEB-Mann wieder vom Pariser French Style träumen und seine Sekretärin Marghueritta kann sich auf dem Empfangstresen unbekümmert räkeln und in Berliner Schnoddrigkeit, bei präziser Gestik zu jedem Halbsatz, volkseigenen Mief bespötteln. Die Mainzerin Julia Klotz als vielfach ausgezeichnete Musical-Darstellerin (u.a. „Eliza“ in Linz und Basel, „Evita“ in Kassel) erblüht auch in diesem Ensemble.

Ganz zurückhaltend dagegen die Titelfigur: Anne Martha Schuitemaker als Gisela Claus meidet alle vordergründigen Effekte. Sie gibt die bescheidene, kluge Werktätige, der in der Mode ein großer Wurf gelingt; doch sie neigt nicht zum Titelgirl und verliebt sich in den Journalisten Fred Funke erst, als der zum Transportarbeiter Alfred mutiert. Anne-Martha Schuitemaker und Hardy Brachmann, beide mit Anmut und schönen Stimmen ausgestattet, werden zum Liebespaar der MusterMesse. Dort verteilt per Pfannenwurf Priemchen (Dirk Kleinke) seine „Plinse“, die in Cottbus noch immer Plinze heißen, während Zuschneider Inge (Thorsten Coers), Werkstattleiterin Emma Puhlmann ,mit „h“ bitteschön (Gesine Forberger), und andere Kollegen heimlich Giselas Kollektion produzierten. “Chic“ feiert Messe-Gold und Qualitäts-Wächter Stubnick (Nils Stäfe) und die eifrige Sekretärin werden am Ende ein Paar.
Großer, kaum enden wollender Beifall und „Zugabe“-Rufe. Aber darauf waren die acht Hauptdarsteller, der Chor, das kleine, feine Ballett und das Orchester nicht eingestellt. Nächste Vorstellungen gibt es diesen Sonnabend, dann am Donnerstag, den 13. November, Donnerstag, den 4. Dezember und Freitag, den 19. Dezember, jeweils 19.30 Uhr.
J. Heinrich












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