Erfreut und doch auch etwas verstimmt schreibt Klaus Reiter aus Cottbus: „Wir sind wieder mal in Cottbus. Die Wut über die Leute, die dem Abriss der Stadtpromenade mit allen Einrichtungen und der Brücke zugestimmt haben, sitzt bei den Cottbusern immer noch tief. Aber das Geld der korrupten Wessis hatte mehr Gewicht. Auf dem Bild fehlt noch die Fußgängerbrücke mit blauer Uhr. Die Brücke wurde im Oktober 1974 durch OB Heinz Kluge, Werner Walde (SED-Bezirkschef) und Hans Schmidt (Bezirksratsvorsitzender) eingeweiht. Sie war 140 Meter lang und 3,5 Meter breit. Im Hintergrund sehen wir das Hochhaus Stadtpromenade 6 und dahinter ist die Buchhandlung ‘Jenny Marx’ (heute Hugendubel), eröffnet 1969, zu sehen. Hinter dem Fotografen war die Mokka-Milch-Eis Bar Kosmos mit 160 Sitzplätzen (‘Sternchen’ genannt). Wenn man nach links Richtung Post ging, standen die Pavillons Teestube, Plattenladen, Stoffladen, nicht zu vergessen ein Bowlingcenter und eine Diskothek. Vor dem Buchladen war noch der beliebte Krebsbrunnen. Er wurde von Architekt Gerhard Guder (wie auch die Brücke) und Maler Rudolf Graf entworfen. Er bestand u.a. aus emaillierten Kupferplatten mit unterschiedlichen Krebsmotiven. 2002 wurde er abgerissen und durch ein Stahlgeflecht ersetzt. Diesen sollte man abreißen. Es war eine schöne Zeit!“
W. Marlow schreibt: „Der Fotograf steht vor dem ‘Konsument’-Warenhaus, und deshalb sage ich mal: Cottbus. Mein Gedanke bestärkte sich durch den dunklen Bau in der Bildmitte, der nur die Buchhandlung ‘Jenny Marx’ sein kann, die Ende der 60er eröffnet wurde. Laufe ich an der Buchhandlung rechts vorbei, komme ich direkt auf die Sprem, das Zentrum von Cottbus. Links hinter dem Baum ist die Selbstbedienungsgaststätte, genannt die ‘Zwecke’ (verkürzt aus dem offiziellen Begriff MehrZWECKgastronomie). Dort war ich öfter zu Gast, wegen dem preiswerten Mittagessen. In den Sommermonaten wurde oben die Dachterrasse geöffnet, die dann ein beliebter Treffpunkt von Jugendlichen war.“
Jens Pumpa aus der Rostocker Straße in Cottbus kommentiert: „Wir erkennen den Brunnen, das Punkthochhaus Stadtpromenade 6, die jetzige Buchhandlung ‘Hugendubel’ und Teile der Stadtmauer vor der sich anschließenden ehemaligen Gaststätte ‘Stadttor’ (nicht im Bild). Das zehngeschossige Punkthochhaus in der Promenade 6 wurde 1969 fertiggestellt. Es bildet die westliche Begrenzung vom Vorplatz ‘Am Stadtbrunnen’ und der jetzigen Buchhandlung ‘Hugendubel’ (früher: ‘Jenny Marx’). Im Jahr 1969 wurde die Leitbuchhandlung des Bezirkes Cottbus als erstes Objekt im neuen Zentrum eröffnet.“
An die schnell wieder verworfene Idee, die vorn im Bild sprudelnde Anlage in ‘Nimeri-Brunnen“ zu benennen, erinnert S. Sachse: „Der sudanische Staatspräsident, damals kommunistenfreundlich, wurde beim Staatsbesuch in der DDR mit dem „Stern der Völkerfreundschaft“ ausgezeichnet und kam zu einem umjubelten Abstecher auch nach Cottbus, wo gerade ein weiteres Stück Stadtzentrum fertig wurde. Der Glanz dieses Besuches verblasste, als Nimeri daheim islamistische Strukturen einführte und Kommunisten seines Landes einsperrte. Zum Glück ist es zur Namensgebung des Brunnens nicht gekommen.“
Aus Döbern schreibt Ines Krätsch: „Das flache Gebäude in der Mitte ist die Volksbuchhandlung ‘Jenny Marx’, nach der Wende Heron, heute Hugendubel. Wenn ich damals in die Buchhandlung ging, kam ich mit mindestens einem Buch wieder raus. Die Bänke am Springbrunnen waren sehr beliebt, da haben wir gern gesessen, sofern es freie Plätze gab.“
Sabine Mischok aus der Cottbuser Sanzebergstraße reimt wieder: „Die Stadtpromenade hab’ ich erkannt, / mit gestelztem Hochhaus, sehr markant. / Links ‘Jenny Marx’, das Bücherhaus / und davor noch, hier gleich geradeaus / sprudelt das Wasser im Brunnen fein – / das könnte so um 1970 sein. / Komplett wurd’ später unser Glücke / mit Blauer Uhr auf schlanker Brücke.“
Diethart Schulz bemerkt: „Dieses schöne Bild ist wirklich eine Rarität der Zeitgeschichte. Der schöne Brunnen und das Hochhaus mit Läden zum Einkaufen. Auf der linken Seite ist die Buchhandlung, jetzt Hugendubel. Nicht zu vergessen ist die Gaststätte ‘Stadttor’ mit der sehr schönen Terrasse, heute Strandpromenade bzw. Almhütte. Weiter links, nicht sichtbar, steht das Ensemble der Pavillons – jetzt ein schon seit elf (!) Jahren klaffender Schandfleck zum Ärger der Cottbuser. Auf der rechten Seite, auch nicht sichtbar, steht die Mokka-Milch-Eisbar ‘Sternchen’ – ein Publikumsmagnet! Auch dieses musste, wie auch der Brunnen und die Fußgängerbrücke mit der Uhr, dem Bau des heutigen Blechen-Carre´s weichen. Ich hoffe, dass unsere GWC das Rennen um den Verkauf der Brache für sechs Millionen Euro als siebenter Bieter macht und die Zügel wieder bei der Stadt Cottbus liegen.“
Uli Buder, Cottbuser Verwandlungskünstler, erzählt: „Als dieses Bild entstand, war der Sozialismus noch in der Blüte. Es gab alles! Danach ging es bergab. In der Mitte des Bildes kam dann noch eine Imbissbude aus Holz, die so über Eck stand, hinzu. Dort gab es leckere Sachen wie Bratwurst und Karlsbader Schnitte. Rechts, nicht im Bild zu sehen, kam der ‘Konsument’-Parkplatz. Dort bekamen wir als 14-Jährige die ersten ‘S 50’ zu sehen. Die Mopeds standen in allen Farben da. Wir waren hellauf begeistert! Und ich fing schon an zu sparen. Rechts war die 5. Blechen-Oberschule. Dort machte ich dann ein Jahr später den Moped-Führerschein im Abendkurs. Hausmeister Döring nahm uns die praktische Prüfung ab. Wir mussten auf dem Hof, der auch mal ein Friedhof war, Schlangenlinien fahren – mit der SR2–Jawa Mustang, im Volksmund Zwieback-Säge genannt.“
Uns hat von der Cottbuser City-Allianz auch eine Collage zum „Schandfleck-Drama“ mit schockierenden Fotos von Harald Müller erreicht. Die Nerven liegen längst blank bei vielen Cottbusern zu diesem unakzeptablen Zustand im Herzen der Stadt.
Eine lange Reihe politischer Fehlentscheidungen hat dazu geführt, dass dieses „Filetstück“ der Stadtmitte nicht so entwickelt werden konnte, dass Unternehmen hier Geld verdienen und damit Steuern erarbeiten können und dass die Cottbuser und Besucher der Stadt Freude haben an ihrer Stadtpromenade. Die anstehenden Oberbürgermeisterwahlen werden wohl auch dadurch mitentschieden, wie konstruktiv sich die Kandidaten zu diesem Thema stellen.
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