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Spremberg: Kirche in Jessen

Bilder aus dem alten Spremberg | Von | 31. Januar 2009

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Bei Christenlehre gab’s Rohrstockschläge auf die Finger

Obwohl der kaputte Bau auf unserem letzten Rätselbild nicht mehr erkennbar war, erkannten viele – heute – Spremberger das Motiv wieder. Einige schilderten ausführliche Details wie Klaus Federau: „Es handelt sich um die Kirche in Jessen. Sie musste dem Tagebau Welzow Süd weichen, ebenso wie das gesamte Dorf. Die Sprengung müsste im Jahr 1972 erfolgt sein. Auf dem Foto ist noch gut der Rest vom Dach des Kirchenschiffes zu erkennen. Auf der rechten Bildseite sind die Reste des Kirchturmes zu sehen.
Im Hintergrund sieht man noch das Haus vom Dorfschullehrer, Herrn Kätzmar, mit dem darin befindlichen Schulraum, der auch als Sportraum in meiner Kindheit benutzt wurde. Ich selbst bin 1952 in dieser Kirche getauft und 1966 konfirmiert worden. Es macht einen schon noch nach so vielen Jahren sehr traurig zu sehen, wo man seine Kindheit verbracht hatte. Die Aufnahme muss von der Nordseite erfolgt sein, also in Richtung Schwarze Pumpe, Terpe schauend. Der Standort des Fotografen ist vor dem ehemaligen Konsum. Auf dieser Seite der Kirche war auch ein Seiteneingang, wo sich im ersten Stockwerk der Unterrichts-raum für die Christenlehre befand. Von diesem Raum aus konnte man durch große Fenster von oben in den Kirchenraum schauen. Die Christenlehre wurde bis 1969 von dem sehr strengen Pfarrer Nippert gelehrt. Da gab es schon manchmal noch mit dem Rohrstock eins über die Finger. Nach 1969 kam dann Pfarrer Frenzel, er war viel weltoffener. Heute ist Pfarrer Frenzel auch schon im Ruhestand.
Die Kirche ist so um 1500 erbaut worden. Die Kirchenglocken, drei an der Zahl, sind irgendwo an eine andere Kirche gegangen, die Kirchentür ist im Museum in Spremberg. Es gibt nicht viele Hinterlassenschaften und Aufzeichnungen. In der damaligen Zeit hatte die Parteiführung wenig Interesse an Kirchen, und man war sicherlich in der obersten Staatsführung nicht gerade traurig, eine Kirche weniger zu haben.“
Detlef Paulisch mailte uns seine Erinnerungen: „Dieses Gebäude war das Wahrzeichen des Ortes und gleichzeitig Begegnungs-stätte vieler Menschen aus den umliegenden Dörfern. Ich kann mich noch an die meist sonntags von Terpe kommenden Menschen in sorbischen Trachten erinnern. Ein Teil dieses Kirchweges existiert noch heute im “Terpschen Wald”.
Die jüngste bekannte Inschrift im Gebäude war von 1601.
Die Mauern sind mit Sicherheit viel älter. 1877 wurde der dazugehörige Turm errichtet. Auf dem Bild leider nicht mehr zu erkennen. Der letzte Gottesdienst war das Erntedankfest am 3. Oktober 1971. Kurz danach muss dieses Bild entstanden sein.“
Manfred Gnida ergänzt dazu, ebenfalls sehr ausführlich: „Leider hat dieser Anblick eine wehmütige Ursache und ruft Erinnerungen der einstigen Bewohner dieses Dorfes hervor.
Es handelt sich um Jessen, der zweite Ort nach Gosda, der dem Tagebau Welzow-Süd zum Opfer fiel. Etwa 17 Orte waren einer Devastierung durch diesen Tagebau bis jetzt nicht verschont geblieben. Ich denke da nur an Roitz mit Josephsbrunn, einen Teilabriss von Pulsberg, Stradow, Radewiese, Straußdorf, Groß- und Klein Buckow, Wolkenberg, Kausche und Haidemühl. Heimatvereine dieser Orte brachten zur Erinnerung schon Broschüren heraus. Von Jessen gibt es leider noch keine Chronik, und Heimatfreunde sind bemüht, auch aus diesem Dorf eine Erinnerung in Form einer Broschüre zu erarbeiten und zu veröffentlichen. Schon vor einiger Zeit beschäftigten sich Detlef Paulisch und Christian Lucia mit der Herausgabe eines Buches mit dem Titel ‘Erinnerungen an Jessen (1346 bis 1972) – ein Dorf in Bildern’. Vermehrte Förderung der Braunkohle besiegelte auch das Fortbestehen von Jessen 1972/73. Die älteste Erwähnung dieses Ortes stammt aus einer Urkunde von 1346. Jessen wurde damals als landschaftlich schönstes Dorf es ehemaligen Altkreises Spremberg bezeichnet. Der Ort hatte zuletzt etwa 625 Einwohner und wäre dieses Jahr 663 Jahre alt geworden. Auch die Feuerwehr könnte ein Jubiläum feiern, denn sie wäre dieses Jahr 100 Jahr alt. Ein Erinnerungsstück der ehemaligen Jessener Feuerwehr ist eine Handdruckspritze, welche jetzt im Besitz der Feuerwehr von Terpe ist.
Ehemalige Einwohner und die eingepfarrten Dörfer Gosda, Proschim, Pulsberg und Terpe werden sich noch an die 1495 gebaute Kirche an Feierlichkeiten und andere Anlässe erinnern.
Diese Kirche bekam erst später, um 1877 einen Turm. An den kirchlichen Dienst sind Pfarrer Nippert, Pfarrerin Christine Teichmann und später Dietwald Frenzel aus diesem Gotteshaus in letzter Zeit bekannt. Ein letzter Gottesdienst der sehr besinnlich und auch wehmütig in dieser Kirche abgehalten wurde, war zum Erntedanksonntag die Andacht am 3. Oktober 1971. Danach gelangten Einrichtungsgegenstände wie die Kirchenorgel nach Graustein, das Taufbecken in das Gemeindehaus der Kreuzkirche, der schöne aus dem Jahre 1601 stammende Renaissancealtar fand seinen Standort an der Südseite der Kreuzkirche und in das Heimatmuseum gelangte eine Seitentür.
Neben der Kirche stand die Schule und schräg gegenüber an
der Kurve die Gaststätte Krüger. Hier befand sich ein schöner kleiner und gemütlicher Saal wo gern Feste gefeiert und getanzt wurde. Nebenan war die Schmiede Schiema. Jessen soll einmal zwei Gasthäuser, zwei Bäcker, eine Schmiede, eine Fleischerei und eine Kolonialwarenhandlung an der so genannten ‘Kuhklaue’ gehabt haben. Erinnert man sich weiter an Jessen,
so soll der Gutspark, die Wulschina, die Hirschkopf-eiche und auch an Kirchgänger in schöner sorbisch-wendischer Tracht gedacht werden. Zu Jessen gehörte auch die damalige Töpferschänke und Rasthaus an der Zuckerstraße, welches so glaube ich ‘Zur grünene Tanne’ genannt wurde.
Nach der Devastierung zog der größte Teil der Einwohner nach Spremberg auf den Georgenberg, wo in diesem Wohnkomplex 408 Wohnungen errichtet wurden. Eine Entschädigung wie man es heute von überbaggerten Dörfern kennt, war zu dieser Zeit noch nicht in Aussicht.“



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