Kommentar: Scharfe Sache
Kommentare | Von A. Rink | 16. November 2019Wer einen Spreewälder nach Schwiegatzen fragt, bekommt natürlich eine klare Antwort. Im Rest der Welt gibt es ratloses Schulterzucken. Kein Wunder: Die Rede ist von einem Produkt mit dem EU-Gütesiegel „Geschützte geografische Angabe“. Neben den „Krummen Dingern“, wie Spreewaldwirt Peter Franke die beliebten knackigen Spreewaldgurken zu nennen pflegt, hat auch unser heimischer Meerrettich dieses Schutzzeichen. Die Schwiegatze (den Begriff gibt es nur hier) sind die Seitenwurzeln neben dem Hauptstock, die abgeschnitten und fein gebündelt werden. Sie sind Setzlinge für den neuen Meerrettich-Anbau im nächsten Jahr – die Garantie für den Fortbestand der Kultur.
Nach 1990 kam Unruhe in hiesige Meerrettichfelder. Die Leute wankten ins Steirische und wollten plötzlich „Kren“. Das Wort kommt von „weinen“, was jeder, der mal selbst Meerrettich gerieben hat, versteht. Auch Kren hat EU-Regionenschutz. Es handelt sich hier wie dort um die gleiche Pflanze, nämlich, wissenschaftlich gesprochen: „armoraica rusticana“.
Was jetzt, da die Meerrettichernte im Spreewald auf gut zehn Hektar beginnt, so erfreut, ist seine und die Standhaftigkeit seiner Bauern. Die Verarbeitungsbetriebe haben in den kleinen Gläschen die Regale der großen Ketten erobert und der Lausitzer greift natürlich zu „seinem“ Meerrettich, am liebsten zur Gemüse-Variante ohne fremde und mildernde Zutaten. Es soll ja eine scharfe Sache bleiben, unser Schwiegatz-Produkt.
120 Tonnen hoffen die Spreewälder Produzenten zu ernten. Nur ein Teil wird jetzt ausgegraben, der Rest im Frühjahr; so gibt’s länger frisch Geriebenes. Ob der Ertrag reicht, scheint noch unsicher. Der großblättrige Kreuzblütler mag es warm und feucht. Warm war es. Aber wer knapp beregnet hat, wird wohl nur dünne Wurzeln ziehen. Aber die Spreewälder kennen sich aus – und sie lieben ihre scharfe Soße zu Hecht oder Kochfleisch.