Erinnerungen an den Thälmannplatz in Cottbus

Ausgabe 55 Thaelmannplatz Cafe am TurmDie Zahl der Zuschriften ist diesmal rekordverdächtig. Jens Pumpa aus Cottbus vermittelt auch diesmal konzentriert die Fakten zum Motiv: „Im Eckgebäude Spremberger Straße / Thälmannplatz befindet sich das ‘Cafe am Turm’, vorher Cafe Seidel. Die Strecke der Straßenbahn war in der Sprem sogar zweigleisig. Am 1. Juli 1974 fuhr die letzte Straßenbahn durch die Spremberger Straße, ab 29. Juli ging es dann auf neuem Gleis durch die Stadtpromenade. Der heutige Brandenburger Platz hieß zu DDR-Zeiten Thälmannplatz. Davor war es der Kaiser-Wilhelm-Platz, benannt 1888 nach dem verstorbenen Kaiser Wilhelm I., ab 1946 Thälmannplatz und seit 1993 Brandenburger Platz.“ So können wir im Folgenden überwiegend auf persönliche Leseraspekte eingehen. Dabei geht es bei Dieter Buddrus gar ums große Geld: „Wo man damals Kaffee und Kuchen genießen und entspannen konnte, musste man bald darauf hellwach sein, um nicht blitzartig über den Tisch gezogen zu werden. 2007 war eine mehrjährige Anlage meiner Mutter sehr erfolgreich ausgelaufen. Sie begab sich in das hier ansässige Geldinstitut zwecks Nachfolgeanlage. Meine 83jährige Mutter ging da allein hin. Einige Minuten nach Beratungsbeginn wackelten dort für einige Sekunden die Wände. 20 Minuten später war das Geld meiner Mutter umgebucht zur Sparkasse. Nur leider war ihre Konsequenz eine Ausnahme, denn andere Kunden (deutschlandweit wohl mehr als 50 000) ließen sich Lehmann-Zertifikate aufschwatzen. Statt solcher Berater war mir die alte Zeit mit dem Cafe doch wesentlich lieber.“ Lothar Haase aus der Spreestraße in Cottbus erinnert sich an die regulierenden Verkehrspolizisten: „Bei viel Verkehr waren es sogar zwei, auch Polizistinnen. Ich kann mich an zwei Mädels erinnern, obwohl von Frauenquote noch keine Rede war.
Dem Inhaber von Café Seidel wurden kriminelle Warenbeschaffung und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Er wurde enteignet und strafrechtlich verfolgt. Aus dem Lokal wurde das ‘Cafe am Turm’. Um die Ecke rechts war die Eisdiele ‘Pellegrini’. Geöffnet war die nur in den Sommermonaten, den Winter verbrachte Herr Pellegrini in seiner Heimat Italien. Er muss wohl dann auch für immer dort geblieben sein – es war dann eine HO-Eisdiele.“ Stimmt: Mit Pinguin-Symbol und dem Namen „Nordpol“!
Reinhard Semt kommentiert: „Ja, damals trug die Polizei noch eine Uniform und Schirmmütze jetzt sind es Arbeitsanzüge, wo man hinten ‘Polizei’ drauf schreiben muss, u Verwechslungen mit Handwerkern zu vermeiden. Dafür fehlt ein Werkzeug, um Klebende zu lösen.“
Ramiro Lehmann vom Schulweg in Cottbus-Sielow weiß: „Im Café Seidel saß man bei guter Torte und gutem Kaffee zwar etwas eingeengt, aber es hat nicht gestört. Auch die ‘Gräfin’ aus Werben habe ich dort öfter gesehen. Der Polizist regelt den Verkehr auf der Kreuzung Thälmannplatz, die in VK-Kreisen ‘Posten 1’ genannt wurde. Ich selbst durfte auch dort regeln – das war schon ein Erlebnis. Nach der Schicht hat man an der Waschlauge der weißen Jacke gesehen, was für ein Dreck aus den Auspuffen kam, hat aber trotzdem nicht gestört.“
Manfred Gnida vom Weinberg in Spremberg fällt auf: „Erkennen kann man auch Reklame für den Baumkuchen, den Cottbuser auch mit diesem Café in Verbindung bringen. Auch im Café Gerlach in der Sprem wurde

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Das schöne Vergleichsbild aus heutiger Zeit hat uns unser Leser Günther Aschenbach geschickt.

dieses Erzeugnis gern verkauft.“
Irina Lehmann aus der Rä-schener Straße in Cottbus räumt ein: „Zum Café kann ich nicht viel sagen, war als Kind mal da drin, es hat aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Viel interessanter fand ich da die Verkehrspolizisten auf der Kreuzung. Ein Wink mit dem schwarz-weißen Stab und alles hört auf mein Kommando. Siehst du Brust oder Rücken, musst du auf die Bremse drücken. Es gab auch zwei Frauen, die mutig im Getümmel standen.“ „Damals fuhr noch die Straßenbahn in Richtung Sandow durch die Spremberger Straße“, erinnert sich Helga Jung aus der Hans-Beimler-Straße in Cottbus und Karl-Heinz Jung ergänzt: „In Blickrichtung zum Mopedfahrer befindet sich jetzt das umstrittene schwarze Gebilde vom Herrn Scheuerecker (2000).“
Eberhard Twartz aus der Saspower Hauptstraße in Cottbus erwähnt: „Die kleine Straße rechts führte zum Fahrradgeschäft Vater und geradeaus geht es am Spremberger Turm vorbei direkt in die Sprem. In den 70er Jahren war ich bei der Cottbusser Verkehrspolizei und habe öfter auch auf dieser Kreuzung den Verkehr geregelt. Es war immer wieder eine Herausforderung, den Verkehr am Laufen zu halten, vor allem zu den Spitzenzeiten, wenn alle drei Hauptzufahrtsstraßen voller Autos waren.“
Ralf Schmidt vom Ostrower Damm in Cottbus ist sich sicher: „Das Haus im Hintergrund hat die Anschrift Spremberger Straße 17. Dort verbrachte ich die ersten vier Lebensjahre. Auf dem Balkon war es im Sommer immer heiß wie im Backofen.“
Klaus Reiter schreibt: „Wir sehen Café Seidel, später ‘Café am Turm’. Wenn man länger auf den Bus warten musste war es eine gute Adresse, um Kaffee zu trinken und dazu ein Stück leckeren Kuchen zu essen. In Höhe des Mopeds war der Eingang und geradezu war die Kuchen- und Tortentheke. Nach rechts ging es in den langgezogenen Gastraum. Heute befindet sich dort die Targobank. Durch die Sprem fuhr noch die Straßenbahn und der Verkehr wurde durch einen Polizisten geregelt. Rechts am Rand gab es auch noch einen Hochstand für die Polizei.“ Auch Frank Irmer aus der Cottbuser Philipp-Melanchthon-Straße hat genau hingeschaut: „Da die Straßenbahnschienen noch in die Sprem gehen, scheint es vor 1974 zu sein. Rechts an der Ecke ist das „Café am Turm“, noch früher Café Seidel, zuerkennen. Davor, nach rechts, war die Einfahrt zu einigen Bussteigen des alten Busbahnhofes. Viele nutzten die Gelegenheit noch schnell vor Abfahrt ins Umland, Kaffee und Kuchen zu genießen.“ Günther Aschenbach half auch die Beschriftung über dem Eingang des Cafés: „Ich war zwar nie dort drin aber ich habe ein Vergleichsfoto aus 2011, welches ich gerne beifüge.“ Bei Herbert Ramoth lesen wir: „Mir hat es als ‘Gottbuser wenig Gopfzerbrechen’ (in Anlehnung an den letzten Text zu „Damals war’s) bereitet, die richtige Lösung zu finden. Mir ist in Erinnerung, dass auf dieser Kreuzung fast ausnahmslos eine freundliche dunkelhaarige Verkehrspolizistin ihren Dienst versah. Das Foto mit der Werbung für „das sozialistische Vaterland . . .“ muss nach 1972 aufgenommen sein, denn vorher war es das sehr beliebte Café Seidel und nicht wie auf dem Foto zu erkennen, ist das CAFE AM TURM. Das Gebäude war einst ein Zigarrenladen von Erich Wollsdorf, der in Cottbus mehrere Filialen hatte. Als er dort auszog, übernahm die Familie Seidel das Geschäft und eröffnete es als Café am Kaiser-Wilhelm-Platz. Das Geschäft war sehr beliebt und lief sehr gut, auch zu DDR-Zeiten. 1972 kam gewollt das Aus für viele private Betrieben und Geschäften in der DDR, leider auch für Café Seidel. Herr Seidel wurde inhaftiert, weil er einen Kommissionsvertrag ablehnte. Der absurde Grund dafür war, er habe Lebensmittel gehortet bzw. vernichtet. Sehr beliebt war bei den Gästen im Café Seidel der Diabetikerkuchen, streng nach Broteinheiten berechnet.“
Auch Petra Szickora hat das Café am Turm am Thälmannplatz erkannt. „Schon als Kind bin ich mit meinen Eltern und Geschwistern dort zu Gast gewesen. Immer war viel Betrieb, denn viele kehrten ein, weil die Wartezeit bis zur Busabfahrt überbrückt werden musste. Diese Gewohnheit hielt ich auch noch als junge Frau bei.
Als Kind fand ich es toll, wenn ich die Polizistin mit den schwarzen Haaren gesehen habe.“

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