Das Feuer flog diesmal von Griechenland nach Japan. Seit März diesen Jahres war es nach der Verschiebung dieser Olympiade dann doch noch im Land des Ostens unterwegs. Nun wird diesen Freitag die große Flamme entzündet. Die 32. Spiele der Neuzeit beginnen.
Ihr Ursprung liegt, wie der aller vergangenen modernen Spiele, weit zurück: im 2. Jahrtausend vor Christi! Siegerlisten liegen ab 776 v.Chr. vor. Kaum zu glauben, aber heute bei einem Besuch im griechischen Olympia nachvollziehbar.
Hier waren die Sport- und heiligen Stätten seit dem 6. Jahrhundert zerstört und teils fünf Meter hoch von Sand verschüttet. Unter deutscher Leitung begannen 1874 die Ausgrabungen der heute umfangreichen UNESCO-Welterbe-Stätte. Unsere etwas beschwerliche Reise durch hiesiges Dickicht von Corona-Formalitäten hat sich gelohnt. Wir überschauen andachtsvoll die Arena unterhalb des heiligen bewaldeten Berges, in der anfangs nur Läufe, später (teils brutale) Wettbewerbe in 18 Disziplinen stattfanden. Schnell begreifen wir: Es ging hier nicht zuerst um Sport,
sondern um die religiöse, rückhaltlose Zeus-Verehrung. Aus dem ganzen Land kamen die Recken und das Publikum und warben um seine Gunst. Die Arena ist also nur ein „Anhängsel“ des Hei-
ligtums, der sogenannten Altis. Etwa 70 Tempel gab es da dicht beieinander, aber auch Unterkünfte für die Sportler.
Im größten, dem Zeus Stempel, thronte der Göttervater selbst, zwölf Meter hoch, aus purem Gold und Elfenbein. Die Statue galt als eines der sieben Weltwunder der Antike. Vom Tempel steht nichts mehr, vom kostbaren Göttervater sowieso nicht, aber die Werkstatt, in der er entstanden sein soll, haben die Ausgräber gefunden und teils rekonstruiert.
Alles ist, von Oleandern in Weiß, Gold und Rosé geschmückt, im gleißenden Sonnenlicht, höchst sehenswert – doch kommen wir auf den Sport zurück. Er folgte nicht der olympischen Idee „Dabeisein ist alles.“ Nur der Sieg allein zählte hier. Zweit- und Drittplatzierte waren schon Verlierer und schlichen sich schamvoll heimwärts, um nicht öffentlichem Spott ausgesetzt zu sein. Wer siegte, wurde nicht reich. Es gab den Kranz aus Olivenzweigen. Wer aber dreimal gewann, der wurde in Stein gehauen und stand fortan als Denkmal im Heiligtum. Das galt auch für Pferde, denn neben Leichtathletik und Kampfsport kam bald das Reiten in Mode. Die vielen Statuen sind verschwunden, in Fragmenten nur noch einzeln in Museen zu finden. Hier aber zeugen hunderte Sockel, teils mit Schrift-resten, von dem Heldenaufmarsch. Auf quadratischen Sockeln standen Männer, auf den länglichen die siegreichen Pferde.
Es kamen viele solche Statuen zusammen, denn die antiken Sportspiele wurden zu einer eigenen Zeitrechnung. Weit über tausend (!) Jahre lang wurden sie alle vier Jahre ausgetragen. Erst unter römischer Herrschaft änderte sich das – nicht gleich, aber doch bald. Der römische Kaiser verbot 393 alle heidnischen Feste. Die liefen noch etliche Jahre heimlich weiter, schließlich aber war Schluss. Wie alles endete, ist noch nicht ganz erforscht. Das heutige Bild der Zerstörung – es stehen vom Heiligtum nur Grundmauern und wenige Säulen – geht wohl auf ein Erdbeben im Jahre 551 zurück. Neuere Forscher sprechen von einem Tsunami, der im 7. Jahrhundert diese Sandmassen über die eigentlich sanfte Landschaft, nicht weit vom umschwärmten Arkadien, gespült habe.
Praktisch jeden Tag werden bis heute neue Funde freigelegt und die Zusammenhänge der Götter-Mensch-Gesellschaft erpusselt. Vieles gefällt uns heute an dem olympischen Vorspiel. Die örtlichen Führer, meist ältere Herren, die sich auf weiten unbeschatteten Wegen unentwegt die Schweißperlen von der Stirn wischen, erzählen lebhaft ihrer Geschichten von den weiten Anreisen der Wettkämpfer. Das Land wer riesig, und jeder, der sich stark fühlte, wollte dabei sein. Auch, um Pause vom Krieg zu haben. Denn war Olympia angeordnet, hatten alle Fehden im Lande zu ruhen. Daher rührt die Legende von den „friedlichen Spielen“. Das waren sie in der Arena nie. Im Kampfsport wurden auch Tote zu Siegern erklärt, wenn sie sich zäh gezeigt hatten.
Zeus und seine Götterfamilie leben bis heute in allen Legenden auch auf dieser Halbinsel Peleponnes, die mit Korinth, Mykene und Sparta weitere kulturelle Höhepunkte hat. Die Dörfer bewahren alten griechischen Charme. Es gibt den roten Wein zur Genüge und herrliche Sandstrände an türkisblauem Meer. Doch wir bleiben bei Olympia.
Folge II: Gustav Schuft in Athen
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