Ab in den Süden… Von Traumstraßen oder romantischen Wegen und Plätzen melden sich Jürgen und Petra Heinrich aus ihrer rollenden Redaktionsstube im Wohnmobil

Wir waren seit dem 5. September unterwegs, haben sechs Länder durchfahren, interessante Städte wie Split, Dubrovnik, Mostar, Kotor, Ulcinj, Kruja, Dürres und Gjirokastar gesehen, die griechisch-römischen Ausgrabungen von Butrint bestaunt und inzwischen Griechenland erreicht. Hellas voller Sonne!

Reisen 1
Die Autoren am legendären Löwentor von Mykene (1300 v. Chr.). Es ist das älteste Monumentalbildwerk Europas.

Nun also Griechenland. Pückler traf Ende 1835 in Patras ein und blieb ein ganzes Jahr. Zwei Bücher lang klagte er über „Griechische Leiden“. Disteln und Brennnesseln überdeckten die „Steinanger“, die wir heute als faszinierende archäologische Stätten erleben. „Armut, Not, Schmutz und Ungeziefer“ sah der aus Muskau Hergereiste überall. Kein Wunder: Das Land hatte sich eben befreit, der jung-erwachsene Otto I. aus Bayern war seit 1832 König. Pückler machte ihm und seinem Vater Ludwig I., der gerade Athen
besuchte, seine Aufwartung – etwas Licht im trüben Hellas.
Unsere und Pücklers Wege kreuzen sich in Patras und dann mehrfach. Allerdings rollen wir auf sauberen und sicheren Straßen, manchmal 20 km ohne eine Begegnung außer einigen braun-schwarzen Ziegen am Rain und gelegentlich einer Schildkröte, die über den Asphalt hechelt.
Unseren ersten Fisch genießen wir in Parga, einem kleinen Dorf in einer Bucht unterhalb des Kastells von Ali Pascha, der schon 13 Jahre tot war, als Pückler hier in der Nähe ankam.
Römisches Theater, byzantinische Mauern, Odeon (überdachte Arena auch für Musik und Poesie) griechischer Art – schon bei Nikopolis am Amvrakischen Golf (unsere Straße unterquert seinen Zugang zum Ionischen Meer) umgeben uns Steinzeugen der Jahrtausende. 750 bedeutende archäologische Stätten bietet das Land, nie gezählte Fundplätze darüber hinaus.
Wir folgen ab Patras dem Südufer des Golfs von Korinth ostwärts. In Diakofto holpern wir über Gleise. Die Schmalspurbahn (750 mm) klettert hier, teils Zahnradgetrieben mit 14,5 % Steigung, zum Partisanen- und Klosterort Kalavryta. Atemberaubende Landschaft! Bis 1966 zog eine Dampflok die Züge, jetzt klappt’s moderner. Wir erreichen Mykene am nächsten Tag. Der Wanderer Perseus hat die frühgriechische Wunderstätte im 2. Jahrhundert entdeckt. Als Pückler kam, war sie noch weitgehend unbeachtet. Heinrich Schliemann sah sie 1868 und wurde berühmt, allerdings auch befehdet als Ausgräber der Königsgräber. Schon im 2. Jahrtausend v. Chr. bestand hier ein mächtiger Staat, schuf erstaunliches Handwerk für Bronzeguss und figürliche Keramik, bauten Architekten Paläste. Welchen Königen auch die Masken aus getriebenem Goldblech zugedacht waren – sie zeugen von handwerklicher Meisterschaft. Ebenso wie die kopflosen Löwen über dem gleichnamigen Eingangstor. Die gigantischen Steingefüge erinnern an Mauern der Inkas in Peru.
Vom oberen Palast streift der Blick über eine weite, fruchtbare Ebene (heute Zitrus- und Olivenanbau) bis zum Golf. Woher immer sie kamen, die Frühgriechen, sie hatten den Ort strategisch gut gewählt.
1 100 v. Chr. endete diese Ära, tauchte viel später mythisch-literarisch bei Homer auf.
Noch vor dem modernen Korinth liegt Akrokorinth, ein edles touristisches Fleckchen um den Apollo-Tempel nebst römischen Wohn- und Bethäusern und einem Museum mit schönen Mosaiken und Keramiken.
Auf dem Weg nach Delphi kreuzen wir ein Hindernis, das beinahe auch Pückler schon angetroffen hätte: den Kanal von Isthmia nach Loutraki, 6,43 km lang, bisweilen 88 Meter tief, nur 25 Meter breit. Nero vollzog 67 n. Chr. den ersten Spatenstich, doch erst um 1890 buddelten sich die Franzosen tatsächlich vom Saronischen zum Korinthischen Golf. Nur kleinste Kreuzfahrtschiffe passen durch. Wir nutzen an einer Flachstelle die Brücke, die abgesenkt wird, wenn ein Boot kommt. An anderer Stelle stehen vor der Hochbrücke Touristenbusse zu Fotostopps an.
Durch die griechischen Berge mit kleinen Dörfern tasten wir uns nach Delphi, heute ein Hotelort neben dem Heiligtum, in dessen Apollo-Tempel sich Priester ätherischen Dämpfen aussetzten, um den Pilgern aus lallendem Munde ein Orakel zu geben. Am steilen Hang sah auch Pückler die Säulen, vielleicht auch oben das gut erhaltene Theater, wohl kaum aber das Stadion an aller höchster Stelle in einem erstaunlichen Oval, wie es andere Stätten nicht zu bieten haben, das viel ältere, nicht weit entfernte Olympia ohnehin nicht. Hier in Delphi gab es Festspiele, die religiös-philosophische Akzente setzten, aber auch sportliche Leistungen (Lauf, Faustkampf, Ringen, Pferderennen) sowie Musik, Poesie, Schauspiel und Pantomime in den Wettkampf stellten. Ein prächtiges Museum zeigt beeindruckende Torsi, die Beben und Verfall lädiert überdauerten. Glanzstück ist ein Wagenführer in Bronze mit geradezu lebendigem Gesichtsausdruck. Nun ja, Diesteln und Brennnesseln musste unser Fürst auch hier ertragen. Womöglich hatte er, wie wir, großen Genuss bei seiner Kutschfahrt zu Tale, immer mit dem Blick auf den Golf von Korinth und die Berge des Peloponnes gegenüber. Die elegante Brücke aus vier Seilpyramiden erkennen wir schon 70 Straßenkilometer voraus. Die Fähre nach Bari/Italien liegt dort bereit. Wir waren 3 500 km vorwiegend südwärts on tour; jetzt wenden wir uns nordwärts. Das freundliche Italien bietet Nr. 4 mehr Lust als Last.

Reisen 2 1
Ein tiefer Kanal schneidet durch den Landsteg zwischen Peloponnes und Festland.

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