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Alles sang: „Sons le pont d’Avignon…“ (Reisebericht Teil 2)

Feuilleton, Reisen & Unterwegs | Von | 19. Juli 2024

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Vom Hügel neben dem Papstpalast gibt es die beste Sicht auf die legendäre Brücke von Avignon, unter deren Bögen früher getanzt und gefeiert wurde.

FRANKREICH also. Mit dem Fußball hat das unlängst im europäischen Halbfinale nicht ganz geklappt und politisch köchelt’s mal wieder. Aber nun lässt Olympia das Land erleuchten. Und ein traumhaftes Reisegebiet war und ist dieses Frankreich sowieso. Das wusste schon der junge (zu einem Viertel französische*) Graf Pückler vor gut 200 Jahren ganz genau. Auf einer Tour zwischen Lyon und Avignon in diesem Sommer hat JÜRGEN HEINRICH in Semilassos kurzweiligen „Jugend-Wanderungen“ geblättert. (II)

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Dank moderner Steuerung gelangen Flusskreuzfahrtschiffe durch viele Rhone-Schleusen gut talwärts.

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Kreuzgang der Benediktiner-Abtei in Arles: Vom romanischen Stil wechselt das Bauwerk zu gotischen Bogen.

Wir hatten den jungen Pückler in Lyon getroffen. Fluss-ab beschiffte er die Rhone, und es ward ihm nicht so leicht wie uns in diesem Sommer. Heutige Flusskreuzer bieten allen Komfort, moderne Schleusen, die in einem Zuge bis zu 23 Meter Höhenunterschied schaffen, geben Passagieren Kurzweil und sonst beste Aussicht auf schöne Landschaft. Pückler musste wegen starken Windes aussteigen. Aber statt er „abermals biwakieren würde, entschloß“…er sich „allein zu Fuß nach Avignon zu gehen über Stoppeln und Anger der großen Straße zu. Von Zeit zu Zeit erfrischte ich mich an den süßen Trauben und Feigen, die wie wild auf dem sandigen Boden umherwuchsen und fast allein die traurige Oede der Gegend unterbrachen…., ein schwermütiger Eindruck“, schreibt der wandernde Graf.

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Den bei Einheimischen heutzutage durchaus umstrittenen Ruf, ein „Freilichtmuse-um“ für Touristen aller Welt zu sein, hat Arles noch durch den LUMA-Turm des Architekten Frank Gehry verstärkt. Im neuen Kultur-Campus entstand er in einem Park auf ehemaligem Eisenbahn-Werksgelände.

Wir hingegen bleiben an Bord, erreichen zunächst Arles und sind begeistert vom Amphitheater, das Pückler als „etwas kleiner als das in Nismes und überdies fast ganz zerstört“ beschreibt. „Arles ist groß, aber finster, schmutzig und schlecht gebaut“, urteilt er. Damals standen Häuser eines ganzen Stadtteils innerhalb der Arena. Ein späterer Ankömmling, der Maler Van Gogh, sah das ganz anders, war begeistert vom Licht, blieb fast zwei Jahre (1888/89) und malte hunderte Bilder, ehe er sich, nun doch depressiv, das Ohr abschnitt. Alle touristischen Führungen folgen heute dem großen Impressionisten und enden im Blumengarten des Krankenhauses, das den halb Wahnsinnigen aufnahm. Die Stadt war ihm nicht gut und hat auch heute kein einziges Bild von ihm, baut sich aber geschäftstüchtig nach seinen Bildern um und schafft dabei auch Motive für die vielen Fotografen, die sich hier zu Symposien treffen. Auch sie sind Künstler des Lichts, finden schönste Motive in Sakralbauten wie der Benediktiner-Abtei, die im 12. bis 15. Jahrhundert gebaut wurde, oder hoch oben vom neuen LUMA-Turm, auf dem man dem Gezirp der Zikaden entkommt und, wenn man mag, aus dem zweiten Stock nicht treppab steigen muss, sondern durch ein Rohr wie im Erlebnisbad rutschen kann. Arles tut alles, um seinem Ruf als „Freilichtmuseum“ gerecht zu werden. Auch die sanften Kämpfe mit dem Stier gibt es wieder, die Pückler nebenan in „der Camargue und den Ferraden“ bewunderte, wo „der Bouvier den Stier bei den Hörnern nimmt und mit Gewalt den ungeheuren Kopf“ niederdrückt. Ob er das wirklich so sah?

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Ort für Theater und Stierkämpfe. Als der junge Pückler hier vorbeischaute, war die die römische Arena von 90 n.Chr. in Arles mit Häusern zugebaut. Ein ganzer Stadtteil befand sich in dem Oval. Erst ab 1825 wurde ausgeräumt.

Nach Avignon hatte es Pückler dann doch noch zu Fuß geschafft, um gleich zu stöhnen: „…keine Spuren seines ehemaligen Glanzes mehr, krumme, finstere und öde Gassen, unansehnliche Häuser…“ Ja, die Zeit der Päpste (sieben regierten 1309-77 von hier aus) lag schon weit zurück. Ein älterer und ein neuerer Palast erinnern an deren Prunk. Schöner aber ist das bunte Treiben unterhalb auf mehr als hundert Kleinbühnen beim jährlichen Theaterfestival.
Unser Graf war allzu müde als er die vier Kilometer lange, prächtige Stadtmauer erreichte und am Tor vorbeiritt, hinter dem seine Herberge lag, weil es „gegen die ungeheure Mauer so klein ist, daß man es auch am Tage suchen muß.“ Stimmt. Aber uns half ein Riesenrad zur Orientierung, und dann war auch die legendäre Brücke ganz nahe, von der Mirelle Mathieu, der „Spatz von Avignon“, so schön singt: „Surle pont d’Avignon…“ Auf der Brücke von Avignon. Aber es hieß früher eigentlich richtig: „Sons le pont…“ Unter der Brücke. Denn dieses Bauwerk, das heute nach vier Bögen mitten im Fluss endet, hatte im 14. Jahrhundert 22 Bögen und überspannte den Fluss, etwas Sumpf- und auch viel Festland. So wurden früher unter den Bögen Volksfeste gefeiert. Aber es ist doch schön, dass Menschen heute auf der Brücke tanzen und gern davon singen. Unserem umtriebigen Jung-Reisenden aus Muskau ist das damals wohl entgangen.



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