Sechs Kandidaten eröffneten sehr behutsam den kommunalen Wahlkampf und stritten um Europa.
Cottbus (hnr.) Das große Interesse an kommunalen Themen fast vier Monate vor der Wahl schien selbst Moderator Jens-Uwe Hoffman überrascht zu haben. Er musste die Veranstaltung in einen größeren Raum verlegen. Aber auch die Diskutanten wirkten noch unsicher. Ihre Parteien und Vereine tüfteln noch an Programmen und Strategien. Die große Herausforderung Strukturwandel mit täglich neuen Nachrichten aus Bundes- und Landespolitik hält die Gremien in Atem. So waren hier nur sehr persönliche Statements zu hören, und es gab zu lokalen Inhalten meist Konsens.
Lediglich das Stichwort Europa führte zu Streit, den Dr. Klaus Freytag als Niederlausitz-Beauftragter des Ministerpräsidenten zu schlichten versuchte. Was in den letzten Jahren erreicht wurde, sei auch in Cottbus vor allem aus der EU finanziert. Marianne Spring-Räumschüssel hielt die AfD-Position dagegen: „Die EU hat kein Geld. Es ist das Geld der Steuerzahler, über das in Brüssel entschieden wird.“ André Kaun (Linke) hält solche Polemik für falsch, „weil 70Prozent unserer kommunalen Entscheidungen auf der Basis von EU-Recht stehen. Wir stecken tief drin in der ‘Republik Europa’ mit unserer Demokratie.“ Petra Weißflog (Bündnis90/Grüne) hält dieses „Wir hier und Ihr da“ für falsch. Sie verwies auf Austauschprogramme für Studierende und EU-weite Ausschreibungen, die auch deutschen Unternehmen Vorteile bringen. Dass vieles reformbedürftig ist in dieser EU, darüber sei man sich einig, fand Tobias Schick, der für das kommende Stadtparlament einen SPD-Listenplatz hat.
Drei Fragen richtete der Moderator schließlich ganz konkret an seine Gäste: Warum soll man Sie wählen? Welches konkrete Projekt verfolgen Sie? Wie sehen Sie Cottbus im Jahre 2038?
Auf die letzte Frage blieben alle Kandidaten eine Antwort schuldig, auch weil Jens-Uwe Hoffmann ihnen zu oft lehrerhaft ins Wort fiel. Aber sonst hat jeder einiges auf dem Herzen:
André Kaun (Linke) ist mit seinen 38 Jahren schon 21 Jahre Stadtverordneter und einer der Dienstältesten „im Geschäft“. Er hofft auf junge Leute im Parlament, gern auch in anderen Fraktionen, mit denen er in den Ausschüssen etwas bewegen will. „Zwei Millionen für präventive Jugendarbeit würde ich einsetzen. Wenn wir damit Problemlagen vermeiden könnten, haben wir später weniger Heim- und andere Kosten, und Heranwachsenden ist wirklich geholfen.
Tobias Schick (SPD) war 400-m-Hürdenläufer, ist Geschäftsführer des Stadtsportbundes und verspricht sportlich: „Wenn ich an den Start gehe, will ich auch gewinnen. Ich werde kämpfen für Cottbus.“ Er will die 30-Jährigen und noch Jüngeren hier halten. „Ihr Wegzug macht mir Sorgen.“ Längst nicht alles sei schon gut in der Sportstadt: „Unsere Turnhallen-Entgelte sind die höchsten im Land.“ Und er möchte – wie auch immer – den FCE stärken. „Wir müssen den Stolz auf unsere guten Unternehmen fördern, auch auf unsere Kultur. Zufriedene Menschen strahlen aus.“ Natürlich sieht er in der Entwicklung des Ostsees eine Chance.
Petra Weißflog (Bündnis 90/ Grüne) hofft, dass viele wählen gehen: „Millionen Menschen auf der Welt wären glücklich über dieses Privileg.“ Sie will die Kommunikation in der Stadt verbessern, wünscht sich mehr Offenheit für Zuwanderer. Und sie wird wirtschaftlich konkret: Das Bahnwerk (Raw) hatte 2000 Beschäftigte, jetzt gibt es noch 425 Facharbeiter und 120 Angestellte. Mit ihren Parteileuten im Land und Bund will sie erwirken, dass der Bund als Eigentümer dafür sorgt, dass Großaufträge nicht nur an andere Bahnwerke, sondern auch an dieses vergeben werden.
Jörg Schnapke (CDU) hat als Unternehmer mit seiner Familie 350 Arbeitsplätze in Cottbus geschaffen, arbeitet in der Verkehrswacht und ist einer der erfahrensten Stadtverordneten. „Niemand muss Cottbus und die Lausitz verlassen. Allein das Handwerk bietet hier 1 000 Ausbildungsplätze, die BTU hat Studienangebote“ Er setzt sich für die Ortsteile ein, die zu seinem Wahlkreis Ost zählen und sieht durchaus viel Arbeit. „Wir ringen in Sachfragen um Mehrheiten, und da gibt es auch mal Konsens mit den Linken oder der AfD.“ Nicht alles gelingt, mancher Schuss geht nach hinten los, wie die Hochschul-Fusion. Das war Landespolitik. Die Stadt steuert jetzt mit einem Gründungszentrum nach.
Marianne Spring-Räumschüssel (AfD) setzt auf völlig neue Ordnung der kommunalen Finanzen, will die Hoheit über das Geld der Bürger und fordert eine Sonderwirtschaftszone. „Die Polen machen das gut vor, und auch Deutschland hatte früher die Zonenrandförderung.“ Billiglohn-Bedenken teilt sie nicht. Es geht ihr um Unternehmensförderung, also Produktivarbeitsplätze, nicht nur Verwaltung.
Jürgen Siewert (Unser Cottbus) hat lange Abgeordneten-Erfahrung als Linker. Von der Partei wandte sich der Unternehmer (Freizeitoase am Amtsteich) ab, gründete die Wählervereinigung, die noch an ihrem Programm und den Personalfragen arbeitet. Er will schlichten, für Cottbus arbeiten ohne ideologische Bremsen und Fraktionseitelkeit.
Es gab viel Beifall – zu einzelnen Aussagen und am Schluss für alle. HoffmannsTalk macht Hoffnung für ein lebhaftes Wahljahr.
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