Im edlen Garten von Powerscourt

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Der Park von Powerscourt gewinnt durch den weiten Blick in die malerische irische Landschaft südlich von Dublin. Pückler hat sich den mühsamen Weg nach hier zweimal gemacht, weil der Ruf der Anlage damals schon bis Deutschland gedrungen war

96 Seemeilen liegen zwischen der walisischen Küste und Dublin. Wir vertäuen uns gleich hinter der neuen, eine Harfe nachbildenden Brücke an der Pier. In Sichtweite liegt das Fußballstadion, in dem 80 000 heimische Fans mit vielen österreichischen Gästen und sogar dem irischen Präsidenten Michael D. Higgins jubeln. Das WM-Qualifikationsspiel geht 1:1 aus – für beide Seiten zufriedenstellend, wie sich der Stimmung in den Pubs entnehmen lässt.
Reichlich 500 000 Einwohner hat das gut 1000jährige Dublin, das seit Irlands Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft 1973 dynamisch erblüht. Fürst Pückler, der lebendigste „Verstorbene“ jener Zeit, hat die Stadt bei seiner Ankunft 1828 als „einen rauchenden Kalkofen in grüner Ebene“ beschrieben. Ganz anders stellt sich die Metropole heute dar. Sehenswert sind der „größte Zahnstocher der Welt“, eine nachts angestrahlte 123 Meter hohe Edelstahlsäule neben der Hauptpost, und in der Suffolk Street die Statue der hübschen Fischhändlerin, die sich auch ein wenig prostituierte und an einem nicht näher definierten Fieber starb. Das Lied von ihr kennt heute jedes Kind: „In Dublin’s fair city, where the girls are so pretty, I first set my eyes on sweet Molly Malone…“ (Im ehrenwerten Dublin, wo die Mädchen so schön sind, richte ich meinen Blick zuerst auf Molly Malone…). Aber auch alle Haustüren, die in der Altstadt immer besonders edel wirken und oft lackschwarz, aber auch in kräftigem Rot oder Grün glänzen, sind der Blicke wert. Noch bunter lümmelt Oskar Wilde an der Ecke vom Park gegenüber dem Trinity College, Irlands ältester Uni. Er fiel nicht nur als Dichter und Gentlemen auf, sondern auch als schrill-schwuler Außenseiter in mädchenhafter Garderobe. Die Faszination seiner Werke bleibt ungebrochen; erst jüngst begeisterte im Staatstheater Cottbus ein Ballett nach seinem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“.

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Alles Wichtige besprechen die Dubliner im Pub, so auch den Verlauf des Fußballspiels im nahen Stadion. Die Begegnung Irland-Österreich geht 1:1 aus – für alle Fans erträglich

Dublins Unibibliothek hütet große Schätze, darunter das „Book of Kells“ aus dem schottischen Kloster Iona, das an unserem späteren Reiseweg liegt. Um das Jahr 800 soll es entstanden sein. Mit anrührenden biblischen Bildtafeln zählt es zum offiziellen Weltdokumentenerbe.
Zeugnisse von langer Geschichte Irlands legt die Klosteranlage von Glendalough ab. Aus dem 6. Jahrhundert stammt der schlanke Rundturm, der noch immer Pilger ins geschützte Tal zu rufen scheint. Bis 1214 befand sich hier ein religiöses Zentrum. Und noch heute gehört dieser heilige Ort zum Leben und Sterben der tiefgläubigen irischen Menschen; sie begraben zwischen den Ruinen und uralten Grabtafeln weiterhin ihre Toten.
Ganz den Lebenden zugetan sind bei Enniskerry, eine halbe Autostunde südlich von Dublin City, die Powerscourt-Gärten. Der 19 Hektar große Landschaftspark mit ummauerten Staudengärten entstand zeitgleich mit Pücklers Anlagen in Muskau, Branitz und Babelsberg. Die Lords von Powerscourt haben sich ausdrücklich in Deutschland und Europa Inspiration geholt. Das Schloss mit 68 Zimmern hatte schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der deutsche Architekt Richard Cassels erbaut. Die prägenden Terrassen, über die der Blick weit in die pittoreske Landschaft reicht, entstanden in den 1840er Jahren. Dem gut 200jährigen Baumbestand fehlt aber die genial regulierende Hand für Raum und Struktur. Stattdessen wuchern in dichter Anpflanzung teils exotischen Baumriesen in hunderten (!) Arten, und die nachfolgenden Parkgärtner bepflanzen jede freie Stelle sofort wieder in ungezügelter Sammelwut mit jungen Gehölzen. Dennoch gilt die Anlage nach einer nationalen Weltliste der Park-Top-Tens als die Nummer 3. Tatsächlich sind viele Stein- und Metallfiguren großartig in das Ensemble eingefügt. Einige stammen aus Deutschland, andere sind Kopien italienischer Werke. Lebensgroß dominieren zwei geflügelte Pferde aus dem Famlienwappen, geschaffen 1869 von dem Berliner Prof. Hugo Hagen.
Ob die Lords von Powerscourt von Pücklers Parkschöpfungen wussten, ist nicht sicher, aber Pückler war schon 1828 und später ein zweites Mal in dieser Anlage. Da er den beschwerlichen Weg zu Pferde ein zweites Mal auf sich nahm, wird er schon beim ersten, nur flüchtigen Besuch einen starken Eindruck mitgenommen haben.

Nächste Folge: Die Wiege der Keltischen Kirche

 

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Klostermauern aus dem 6. Jahrhundert haben sich erhalten. Der 33 Meter hohe Rundturm ist zwischen 900 und 1200 errichtet worden

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