Russische Oper vom Meister der Ballettmusiken – sinnlich und verramscht.
Cottbus. Das selbstkritisch Abgelegte des russischen Meisters der Ballettmusiken kann noch immer begeistern – eine erstaunliche Entdeckung, mit der Regisseurin Andrea Moses und Generalmusikdirektor Alexander Merzyn zueinander finden! Die Dresdenerin, die gastweise auch in Russland studierte, hat viel in Dessau und Weimar, aber Anfang der 2000er auch in Cottbus inszeniert. Dass sie jetzt ein Musikwerk plakativ als Tagesnachricht verramscht, mag dem Zeitgeist geschuldet sein und nachgesehen werden. Besser hätte der Gesamtaussage mehr Liebe zum Detail getan, etwa wenigstens vereinzelt ein paar ukrainische Worte und das richtige Bekreuzigen. Mit den Sowjetfahnen, die Bühnenbildner Christian Wiehle munter flattern lässt, hatten Puschkin und Pjotr I. Tschaikowiski (1840-1893) wohl kaum zu tun. Aber das lässt sich gerade noch ertragen.
Tschaikoswki hat zehn Opern geschrieben, nur zwei, „Eugen Oniegin“ und „Pique Dame“, sind in der Welt bekannt. „Mazeppa“, recht kompliziert in der kriegerischen Rahmenhandlung, schaffte das nicht, und der Meister selbst fand das Stück gar nicht gut. Dabei trügt der sinnliche Klang, den Merzyn mit dem verkleinerten Orchester voll entfaltet, eine schöne Liebesgeschichte: Die schöne Maria (Kim-Lilian Strebel) verschmäht den aufrechten Andrej (Alexey Sayapin mit wunderbarer Stimme) und himmelt lieber den fast schon greisen Mazeppa (ein grummelnder Nicht-Held Andreas Jäpel) an, der sich in der schwedisch-russischen Schlacht verkalkuliert und am Ende den Burschen im Duell tötet. Maria verfällt (klassischer Opern-Schluss) dem Irrsinn und sing dem sterbenden Verschmähten ein Schlaflied.
Schlaf ist ein gutes Stichwort: Am schönsten lässt sich diese Oper mit geschlossenen Augen genießen. Sie kann schmeicheln und hat berauschende Rhythmik und sie hat – maskiert! – große Chöre. Die Sänger (Einstudierung Christian Möbius) wurden im ersten Rang verteilt, von wo sie auch in die Dialoge kommentierend eingreifen, aber vor allem so singen, wie das in normalen Theaterzeiten gar nicht zu erleben wäre. Gesine Forberger, Hardy Brachmann, Kihoon Han, Dirk Kleinke und Ulrich Schneider sind die weiteren Solisten. Allen galt verdient (dünn klingender) Beifall. J. Heinrich
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