Im Interview mit Jens Lipsdorf – Niederlausitzer Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde wählte neuen Vorstand

Slawenburg-Kurator Jens Lipsdorf aus Cottbus ist seit letztem Wochenende der 10. Vorsitzende der traditionsreichen Niederlausitzer Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde
Slawenburg-Kurator Jens Lipsdorf aus Cottbus ist seit letztem Wochenende der 10. Vorsitzende der traditionsreichen Niederlausitzer Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde

Am vergangenen Wochenende tagte in Cottbus turnusmäßig die Niederlausitzer Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde. Sie wählte ihren Vorstand, dem Robert Büschel (Stadtmuseum Cottbus), Dr. Alfred Roggan und Matthias Hoffeins angehören; neuer Vorsitzender ist Jens Lipsdorf aus Cottbus, Herausgeber der NIEDERLAUSTZ-Jahrbücher. Wir sprachen mit ihm.
Worum ging es in der jüngsten Tagung?
Wir hörten, wie stets bei diesen Anlässen, neue Forschungsergebnisse. Prof. Dr. Klaus Neitmann sprach über Spremberger Stadtbücher aus dem 16. Jahrhundert, Dr. Alfred Roggan befasste sich mit der frühen Cottbuser Fotografin Bertha Wehner-Beckmann und ich selbst informierte über neue archäologische Befunde am Schloss Drebkau.
Im Vorstand gab es einen Wechsel. Warum?
Die Gesellschaft besteht seit 139 Jahren, und hatte nur neun Vorsitzende. Das spricht für gediegenes Tun. Auch der Cottbuser Museumsdirektor Steffen Krestin, der seit 2006 den Vorsitz hatte, leistete eine zuverlässige Arbeit. Er hat für seinen Ruhestand eine neue Lebensplanung. Mit Robert Büschel bleibt das Cottbuser Stadtmuseum im Vorstand der Gesellschaft präsent; auch ihr Sitz bleibt Cottbus.
Wo sehen Sie als 10. Vorsitzender die Gesellschaft und wo soll sie hin?
Steffen Kerstins geduldige Arbeit und das Engagement einiger Hobbyforscher haben die Gesellschaft über schwierige Jahre am Leben erhalten. Es ist gelungen, wieder junge Mitglieder für ihre Themen zu interessieren. Es sollen nun besonders die Museen und kleinen Vereine der Niederlausitz angesprochen werden. Die Gesellschaft ist seit ihrer Gründung ein Sammelbecken für Wissende und Wissbegierige mit kulturellen Anliegen und Interessen. Ich verstehe sie als Plattform, um sich über alle Aspekte der Niederlausitz auszutauschen und zu verständigen.
Die Gesellschaft hat sich von Beginn an einen Bildungsauftrag gegeben.
Für das Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts, allen voran Prof. Rudolf Virchow als Ideengeber und Initiator zur Gründung unserer heutigen Niederlausitzer Gesellschaft, stand neben kultureller Betätigung vor allem Wissenserwerb und Wissensvermittlung im Fokus. Denn es reicht eine Generation des Nichtvermittelns von Wissen, und selbiges ist für immer verloren. Dreißig Jahre katastrophaler Bildungspolitik sind heute ein Problem auch für unsere Forschung.

Kultwagen oder Gartengerät? Noch immer bleibt das in Moskau aufbewahrte Vorzeit-Wägelchen aus dem Burger Spreewald ein rätselhaftes Objekt.
Kultwagen oder Gartengerät? Noch immer bleibt das in Moskau aufbewahrte Vorzeit-Wägelchen aus dem Burger Spreewald ein rätselhaftes Objekt. Fotos: Hnr.

Gibt es Pläne für den 140. Geburtstag der Gesellschaft im Jahr 2024?
Ja, er wird mit internationalen Gästen würdig begangen.
Die Gesellschaft soll stärker nach außen wirken und aktiver Teil größerer Netzwerke sein. So ist die von Virchow gegründete Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, deren Mitglied ich bin, ein wichtiger und starker Partner. Natürlich wird die Schriftenreihe „Niederlausitzer Studien“, seit 1967 erscheinend, in der bisherigen Qualität fortgesetzt. Gerade junge Forschende können hier ihre Ergebnisse präsentieren.
Hat die Gesellschaft genügend Mitglieder?
Natürlich brauchen wir mehr. Gerade Frauen sind unterrepräsentiert. Es war übrigens eine Russin, die als erste Frau 1878 an einer Berliner Exkursion in die Lausitz teilnahm. Das Luckauer Kreisblatt berichtete darüber. Die anthropologisch geschulte Dame hat in ihrer Eloquenz und mit Temperament alle begeistert. Das gipfelte im Ausruf: „Heute war alles russophil!“
Apropos russisch: Als Kurator der Slawenburg folgen Sie den Spuren der Burger Kultwagen.
Wir wollen die bronzezeitlichen Kultwagen aus Burg im Spreewald, einst im Besitz von Rudolf Virchow, im Moskauer Puschkinmuseum besuchen und den Kulturaustausch wieder erneuern. Die Gespräche sind nie abgerissen. Dahinter steht ein Plan, keine Utopie. J.H.

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