In der heißen Mitte Pakistans / Tempel ohne Tabak, Feuerzeug und Friseur / Eine Millionenstadt für prunkvolle Möbel.
Nach den Erlebnissen in den nördlichen Bergen und in Lahore in der heißen Mitte des Landes wenden wir uns den flachen Weiten in südlicher Richtung zu.
Sheikopura liegt als Oase in bauloser Weite. Ein mürrischer Alter hockt wie angenagelt im Torschatten und verweigert uns den Durchgang zur Pavillon-Brücke. Ob er eine wichtige Etage in der undurchsichtigen Hierarchie besetzt, bleibt unklar. Andere Männer pflücken für uns eifrig saftige Maulbeeren von den Bäumen. Einige Maurer schaufeln Zementmörtel und versuchen das pagodenartige Jagdhaus aus dem 17. Jahrhundert zu reparieren. Die Anlage um ein einstiges Jagdschloss soll wohl ein Volkspark werden. Eine Schulklasse stürmt Spielgeräte und Plastikschiffchen.
Zwischen Maisfeldern qualmen immer wieder pechschwarz die konischen Schornsteine von Ziegeleien. Nach wenigen Kilometern taucht Nankana auf. Der Geburtsort des ersten Sikh-Gurus ist heute Pilgerziel. Anders als in einem städtischen Sikh-Tempel zuvor, sind wir hier offenbar willkommen. Die Mitte der palastartigen Anlage nimmt ein großes, fein gefliestes Bassin für rituelle Bäder ein, umgeben von schattenspendenden Arkaden. Üblicherweise stehen die Gläubigen meditierend bis über den Bauchnabel im klaren warmen Wasser, von großen graubraunen Fischen umspielt. Die Sikhs sind auffallend gepflegte Menschen. In ihren Tempeln sind Tabak und Feuerzeug strengstens verboten, aber sie kennen auch keinen Friseur; ihre Haare verstecken sie unter hoch aufgetürmten Turbanen, die Bärte wachsen ungezügelt.
Guru Nanak lebte vom 15.4.1469 bis zum 22.9.1539; sonst ist wenig über seine Biografie bekannt. Aus Elementen des Hinduismus, des Islam und wohl auch des Christentums bastelte er den Sikhismus, die Verehrung nur eines Gottes. Es gibt keine Priester, aber viele Regeln und hier natürlich einige Reliquien, die an den Religionsstifter erinnern: seine Wiege, ein Bett und der Thron, auf dem es saß.
Das Land bleibt vollkommen flach. Am Chenab-Fluß erhebt sich die Stadt Chiniot mit 1,5 Millionen Einwohnern. Ruhmreich hat sich hier die Tischlerei und Holzbildhauerei entfaltet. Wer auf sich hält, leistet sich Möbel von hier. Sessel- und Bettgestelle sind gedrechselt und kühn geschwungen, ihre Flächen reich mit floralen Elementen versehen. Das sieht so lange noch gut aus, bis die schöne Holzmaserung unter schwarzem und dunkelrotem Glanzlack oder Gold- und Silberfarbe verschwindet – eben im Geschmack indisch-pakistanischer Palast-Tradition.
Zwischen den Städten erstreckt sich das absolut ebene Fünf-Strom-Land. Der Mais steht fast drei Meter hoch, dann und wann wird das Auge in flirrender Hitze vom dunklen Sattgrün üppiger Mango-Haine beruhigt. Die Einheimischen beschwören, dass von hier die besten Mangos weltweit kommen. Die reichen Ernten verdanken die Pakistani allerdings den Engländern. Die haben schon im frühen 19. Jahrhundert die fünf Flüsse, die träge dem Arabischen Meer zustreben, durch Kanäle verbun-
den und so – ähnlich wie seinerzeit Friedrich II. im Oderbruch – die bis heute größte meliorierte Fläche weltweit geschaffen.
Dass im Dickicht Schlangen wimmeln, will ein Fakir mit seiner Schwarzen Kobra beweisen. Ich nehme sie zu seinem Erstaunen um den Hals – die zahnlose Gefährlichste aller.
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