Uraufgeführt im März 2019: Anmerkungen zum „theatralen Konzert“ von Jo Fabian.
Cottbus. 2+2 = grün. Niemand wird das ernsthaft in Zweifel ziehen. Ebenso schlüssig klingt Lucie Thiedes Vorstellung; dass die Liebe ein Kreis wäre; sie hätte dann weder Anfang noch Ende.
Überhaupt: So profane Dinge wie eine Wurst, die sich, gar noch besungen, durch Anfang und Ende disqualifiziert, werden im „Nirvana“ von Jo Fabian, Autor, Regisseur und wohl auch Souffleur dieser „Stückentwicklung“, verworfen. Andererseits geht es immer wieder vom bedrohlichen Ende her um die Sehnsucht zum Anfang hin, zurück zum mütterlichen Schoß. Geborgenheit aus Hilflosigkeit?
Die Worte werden groß und größer, wenn an ihnen keine Verantwortung klebt. So gelingt Freiheit, Selbstbefreiung. Hier wird sie zum theatralischen Wunder: Sie kann in ihrer Unsinnigkeit von Negation der Negation inspirierend überspringen. Ja, das Publikum hat Spaß, und das Ensemble mit Josephine Fabian, Lisa Schützenberger, Lucie Thiede, Michael von Bennigsen, Boris Schwiebert, Jörg Trost rempelt sich derart aus dem anachronistischen Alltagsdruck heraus („Meine Eltern wollten immer, das ich Linkshänder werde, obwohl ich Rechtshänder bin.“), dass es zuletzt mit der gewonnenen Schwerelosigkeit nichts mehr anzufangen weiß: Im zweiten Teil läuft für offenes Spiel ein 900-Sekunden-Countdown. Als schon alles getan ist, schaut Lucie Tiede zur Tafel: „Naja, noch fünf Minuten…“ Und irgendwie bringen die alle zusammen auch noch rum. Anders gesagt: Ein Nirwana, buddhistisch oder anders geartet, ist eben auch nicht das Erstrebenswerte.
Angelegt wird das Ganze in der Kammerbühne als ein schön chaotisch ausstaffierter Probenraum einer Amateurband. Die Legende zum Stück sagt, dass erst die Band zusammenfand, beseelt von Lust zur Musik und zum unbeschwerten Austausch der angedeuteten Gedankenspiele. Glückssuche im Freiraum, in der Leere – zumindest Leere von Aufgaben und Terminen. Auf diesen vorhandenen Mikrokosmos stülpt der Autor seine Thesenfülle, gar geordnet nach Kapiteln, also antifreiheitlich anstrengend. So überschlägt sich manchmal, was doch glätten soll. Das Stück erreicht einen Höhepunkt im Interview, das Lisa Schützenberger Monolog führt, sich selbst durch Pseudokausalitäten hangelnd, um sich zwischendurch auszuschütten vor Lachen. Michael von Benningsen schwabbelt als Buddha konsternierte Kurzantworten hin. Eine der Lehren des „Nirvana“ überzeugt und findet lauten Beifall: Was auf dieser Welt wirklich stört, ist der Mensch; er gehört abgeschafft.
Aber zu dieser These kann die Dramaturgie nicht wirklich stehen, denn so hätte „Nirvana“ kein Publikum. Und das wird sicher gern kommen, denn unterhaltend ist die Suche nach Schwerelosigkeit allemal. J.Heinrich
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