Reisebericht: Insel im Aufbruch

Szenenwechsel: Krieg und Krise machen den Deutschen Angst, titelt die üblicherweise gut informierte WELT AM SONNTAG.
Reisen kann helfen, dem Druck wenigstens zeitweilig zu entkommen. Zu vielen Orten sind die Wege noch frei.
Folgen Sie uns in Städte, Wüsten und auf das weite Meer… – VI

Von Petra und Jürgen HEINRICH

 

 Insel Santo Antao
Dramatische Landschaft aus schroffen Bergen und tiefen, fruchtbaren Tälern prägt die zweitgrößte kapverdische Insel Santo Antao. Sobald die Wolken aufreißen, zeigen sich die scharfen Grate nackter Gebirgszüge und tief unten vereinzelte Wohnplätze.

Von der größeren südlichen Insel Santiago begeben wir uns zu einem Wunder der Inselwelten: Santo Antao.

 

Bunte Häuser
Bunte Häuser in fast unwegsamen Bergen unter Terrassenfeldern. National Grographic stuft Fontainhas als eines der malerischsten Dörfer weltweit ein. Eben hat die EU eine knappe Million Euro investiert, um diesen einzigartigen Bestand zu sichern.

Die Bilder der Altstadt von Santiago, jenem verträumten Praias auf dem Felsplateau außerhalb der heutigen Hauptstadt mit der uralten Kirche und dem von einem christlichen Kreuz bekrönten Sklavenpranger in der Mitte des Marktes noch lange in Erinnerung, bereiten wir uns gedanklich auf Santo Antao vor. Insel der Berge, des Wassers oder der Winde wird dieser 779 Quadratkilometer große Archipel (ca. die Hälfte unseres Spree-Neiße-Kreises) ganz im Norden Kapverdens genannt. Doch er ist mehr: er ist eine Sensation, die vielleicht überraschendste Insel weltweit.

fruchtbare Krater
Es ist Sonntag, und da riskieren auch die Jungs aus der Inselhauptstadt Porto Novo Blicke in Schluchten und fruchtbare Krater

Zunächst begegnen wir schon im noch kargen, eigentlich trostlosen Süden dem Werk der Sklaven: Perfekt gepflasterte Straßen liegen vor uns, erstrecken sich, oft von spektakulären Stützmauern getragen, über hunderte Kilometer verzweigt bis in die höchsten Pässe und fast auch heran an den bunten Ort Fontainhas, seit 2024 offiziell kapverdisches Kultur- und Naturerbe. Nur 80 Menschen leben hier, bearbeiten die Terrassenfelder und locken zunehmend Touristen. Denn National Graphics hat das Dorf nicht nur als eines des malerischsten weltweit gepriesen, sondern auch in die Liste der zehn Orte mit den spektakulärsten Aussichten aufgenommen.

 

kapverdische Kirche
Auf Santiago haben wir die älteste kapverdische Kirche entdeckt. Zumindest ihr abgestumpfter Turm stammt aus dem 15. Jahrhundert, innen mit gotischem Gewölbe

Wer sich geduldet, den Winden und Wolken ihr Spiel lässt, wird immer wieder mit atemberaubenden Aussichten belohnt hier im grünen Inselnorden. Üppiges, blühendes Gesträuch bedeckt steile Hänge, und im Minutenwechsel öffnet sich wie von Geisterhand der weißgraue Nebelvorhang und gibt den Blick frei in ein sonniges, fast kreisrundes Tal – der fruchtbare Boden eines Kraters, aufgeteilt in viele Felder, auf denen gerade die Frühjahrsbestellung beginnt. Vom nächsten Pass blicken wir in ein langgestrecktes Tal voller Grün mit eingesprenkelten Wohnplätzen.

Großagrarier
Der fruchtbare Grund eines Kraters: früher halbiert für zwei Großagrarier, jetzt in viele Bauernfelder geteilt

Es sind keine Dörfer in unserem Sinne, sondern Streusiedlungen, nahe bei den Terrassenfeldern oder im fruchtbaren Paul-Tal direkt am Fluss, in und an dem üppige Ernten reifen. Das Klima überrascht subtropisch, und während in den Höhenlagen Fichten- und Kiefernwälder Schatten geben, drängen sich an den Ribeiras, den Flußufern, Dattel- und Kokospalmen, Papaya-, Zitrus- und Mandelbäume, dunkelgrünblättrige Mango- und wuchtige Affenbrotbäume, Bananenstauden und zunehmend Eukalyptushölzer. Wilde Feigen und Drachenbäume säumen die Wege und auf schmalen Terrassenfeldern aus schwarzer Lavaerde werden Maniok, Mais, Ananas, Kaffee und Lavendel angebaut.

 

Stützmauern
Bis in steilste Lagen sind, teils getragen von abenteuerlichen Stützmauern, erstklassige Straßen von Sklaven gepflastert worden – heute eine Inselattraktion

Das alles klingt wie ein Paradies, kostet die Menschen hier aber viel Kraft, denn die Bedingungen in den steilen Bergen und engen Schluchten sind herausfordernd. Etwa 50.000 Menschen leben in der Hauptstadt Porto Nove, Ponta do Soul und weiteren kleinen Orten. Die zeigen sich überall farbenfroh, gepflegt und zunehmend touristisch geeignet. Man übertrifft sich geradezu darin, es den Gästen so angenehm wie möglich zu machen. Im Fischerort Ponta do Sol eröffnete kürzlich gar ein „Schweinehotel“. Dort können die Tierhalter Buchten mieten, um im Ort keine Gerüche zu haben. Aber Lavendel und die jetzt blühenden Robinien tun ohnehin das Ihre.

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Porto do Sol
Porto do Sol, die nördlichste Siedlung der Insel, wirbt mit dem Fischerdenkmal um Touristen, die den ersten Besiedlern, die hier einst anlandeten, möglichst zahlreich folgen.

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