Über den Tizi n’ Test nach Marrakesch (Reisebericht Teil

Wegen dieses Passes zieht es Mobilisten ins Wüstenland – da müssen wir drüber!

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Rettungsversuche an Marokkos ältester Moschee Tin Mal aus dem Jahre 1153. Das Erdbeben hat sie zerstört.
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Die Safranblüte ist das Markenzeichen der Kooperative, die alljährlich auch zur Grünen Woche nach Berlin kommt.

Nach dem Hollywood Marokkos, der Filmstadt Quarzazate, rollen wir westwärts zwischen Hohem Atlas im Norden und südlich dem Antiatlas durch schroffes, malerisches Bergland. Hier wächst Safran, das teuerste Gewürz der Welt. Nichts sehen wir davon, denn diese „Krokusse“ blühen nicht im zeitigen Frühjahr, sondern im frühen Herbst. Wir gönnen uns Entspannung am Taghaddoute-See, einem natürlichen Gewässer in Bergeinsamkeit, wo Blesshühner, seltene Enten und Regenpfeifer ihr Revier haben. Gedeckt von knorrigen Pinien, können wir sie beobachten. Über den nur 1700 Meter hohen Tizi n’ Bachkoum geraten wir nach Tazenakht, eine Stadt der Teppichweber und -knüpfer, die hier Schafwolle zu den begehrten Berberprodukten verarbeiten. Der Ort versorgt die Menschen im weiten Umland, und so zeigen sich Leute aus den Bergen in ihren derb-schönen Trachten, die Frauen in leuchtend blauen Röcken, natürlich voluminösen Kopftüchern und keinesfalls bereit für ein Foto. Wenn überhaupt, dann von hinten.
Das „Safranland“ zieht sich westwärts bis Taliouine hin. Dort treffen wir den Manager der Kooperative „Souktana“, die hier 80 Frauen beschäftigt und von ihren 28 Hektar Anbaufläche 1000 bis 3000 kg Safran erntet. „Wir sind damit einer der kleineren Betriebe“, sagt der Chef, aber selbst König Mohamed VI. war hier schon zu Besuch, und alljährlich ist das Unternehmen auf der Berliner „Grünen Woche“ präsent. Auf Mikrowaagen sehen wir die zarten Blütenstempel. Drei lassen sich aus jeder Blüte zupfen, aus 200 Blüten wird ein Gramm Safran gewonnen. Welch eine Fleißbranche! Wir lassen uns Lamm mit strohgelbem Safranreis schmecken. Aber gegen Gold aufwiegen würden wir das Pulver nicht… Für uns wird’s nun ernst. 240 harte Kilometer liegen vor uns – der Passweg über den Hohen Atlas nach Marrakesch. Wer sich nach Marokko aufmacht, will diesen Pass erleben, den historischen Weg von Süden über die Berge in die „rote Stadt“, den die Franzosen in den 1920er Jahren ins Gefels gesprengt haben. Längst gibt es östlich

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Zur Stadt kommen die Berberfrauen in ihren traditionellen Trachten. Markant ist der leuchtend blaue Rock.

den bequemeren Tizi n’ Tichka, aber der historische Übergang reizt trotz der Warnung vor Erdbebenschäden. Ehe Gerölllawinen und Steinschlag auf uns zukommen, queren wir die Souss-Ebene mit riesigen Orangen- und anderen Zitrusplantagen. Geradeaus führt die Straße nach Agadir am Atlantik, durch das wir vor Wochen fuhren. Jetzt haben wir seit unserem Aufbruch von Cottbus 7 700 Kilometer zurückgelegt, 4 543 davon in Marokko. Die dramatischste Stecke liegt vor uns. Wir starten morgens, um nicht in den Bergen hängen zu bleiben. Wie gut, denn schon bald stellen wir fest, dass keiner der bekannten Rastplätze und keine der abenteuerlichen Aussichtslokale an Felskehren mehr existiert. Nur Ruinen hat das Erdbeben vom September 2023 hinterlassen. Schlimmer noch: Die zahlreichen Bergdörfer unterhalb der Passstraße sind vom Beben und abgestürzten Felsen restlos zertrümmert. Zwischen dem Geröll wohnen Überlebende in Zelten. Kaum wagen wir Blicke hinab, weil die Außenkanten der schmalen Piste brüchig sind, einstige Leitplanken zerstört und in die Tiefe gerissen. Äußerst vorsichtig gelangen wir fast bis auf die Passhöhe. Dann nehmen wir an einer kritischen Stelle den falschen Abzweig, stellen schnell fest, dass wir auf einer Notstraße hinab in ein zertrümmertes Dorf unterwegs sind. An Wenden ist natürlich nicht zu denken. Erst zwischen den Ruinen gelingt uns das. Die Männer hier schauen uns gelassen zu. Ihre Lethargie besorgt und beruhigt zugleich. Den Menschen kann noch nicht wirklich geholfen werden, denn sie wollen ihre bizarre Heimat nicht verlassen. Aber es gibt Wasser, Nahrung, Zelte und mehrere Arztstationen. England, Frankreich, Spanien und die USA helfen. Unterstützung aus Deutschland hat Marokko abgelehnt. Wir erinnern uns an Einmischungsversuche unserer Außenpolitik in den Saharakonflikt und fühlen uns unwohl inmitten des Elends. Auf dem steilen, gesplitteten und übertrümmerten Notweg aufwärts verlieren unsere Antriebsräder die Haftung, rechts versperrt ein Felsbrocken die enge Kurve. Wir kommen herum, verlieren aber unsere Einstiegstreppe. Danach bleibt das, was eine Straße war, eng aber passierbar, zumal uns außer mutigen Motorradfahrern nichts entgegenkommt. Die Straße bleibt lange auf Passhöhe, zieht sich dann gute hundert Kilometer lang als Schotterpiste Richtung Marrakesch.

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Rechts gilt es, den Zustand der zum Abhang hin zerstörten Straßenkante richtig zu kalkulieren…
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..links auf die immer wieder bedrohlichen Feldüberhänge zu achten.

Unser Programm sieht noch eine Visite bei Tin Mal vor, der Ur-Moschee Marokkos, 1153 aus Stampflehmlöcken errichtet. Zur Zeit der frühen Herrschaft der Almohaden, so haben wir uns eingelesen, war hier der Schatz des Reiches bewahrt. Die Stalaktitengewölbe und maurischen Bögen gelten als die schönsten im Land, weshalb diese Moschee in ihrer Bergeinsamkeit auf die UNESCO-Antragsliste kam. Doch einmal mehr geraten wir in eine erschütternde Szene. Statt des Dorfes, das ein Jahrtausend existierte, liegt nur Geröll am Hang hinter der schmalen Bachbrücke. Die Menschen wohnen in Zelten. Aus der Mitte dieser Trostlosigkeit ragen hohe und komplizierte Holzgerüste auf – der verzweifelte Versuch, wenigstens etwas vom Allerheiligsten der islamischen Geschichte Marokkos zu retten. Die Aussichten, dass dies gelingt, sind gering. Vermutlich werden die Mirab-Nische und darüber das einst reich und kunstvoll verzierte Minarett als Kopie entstehen. Betroffen schauen wir Kindern zu, die durch die Zeltlandschaft klettern, geben ihnen Sachen. Eine Frau tritt aus einem Zelt, auf dessen Plane das königliche Wappen gedruckt ist. Sie geht scheinbar unbekümmert ihrer Tagesarbeit nach. Wir haben noch 100 Kilometer nach Marrakesch vor uns. Erst die letzten lassen landschaftlich aufatmen.

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Durch das Massiv des Hohen Atlas schlängelt sich die schmale Straße lange fast auf einer Höhe, ehe zuletzt die engsten Passagen über steilen Klüften folgen. Zur Tiefe gab es nur wenig Abgrenzung, seit dem Erdbeben gar keine.

 

 


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