Szenenwechsel: Krieg und Krise machen den Deutschen Angst, titelt die üblicherweise gut informierte WELT AM SONNTAG.
Reisen kann helfen, dem Druck wenigstens zeitweilig zu entkommen. Zu vielen Orten sind die Wege noch frei.
Folgen Sie uns in Städte, Wüsten und auf das weite Meer… – III
Von Petra und Jürgen HEINRICH

Des einen sin Uhl (Eule) ist des anderen sin Nachtigall. Das plattdeutsche Sprichwort hört man in Swapokmund, dem sehr deutschen namibischen Seebad nördlich vor Walvis Bay (Wahlfischbucht), dem bedeutendsten Seehafen des Landes. Die „Uhl“ ist der Krieg in Jemen am Suezkanal, die „Nachtigall“ das Anlanden von zumindest kleinen Kreuzfahrtschiffen an der Walvis-Pier. Statt des Risikos eines Konfliktes mit Huthi-Rebellen wählen die Schiffe den weiten Weg um Afrika und legen mal wieder unweit von Windhoek an, das auf gleichem Breitengrad wie Walvis Bay, allerdings hinter den Sandmassen der Namib liegt. Michael, den seine Kollegen im kapholländischen Afrikaans ansprechen und Mike rufen, ist begeistert. Er bringt Touristen im Jeep zu den Attraktionen der Gegend. „Sonst fuhren mal zwei oder drei am Tag“, sagt er, „jetzt sind wir manchmal hundert!“

Zwar ist die drittgrößte Stadt des Landes, die lange englisches Gebiet war, in den letzten Jahren förmlich „explodiert“ und hat jetzt 160.000 oder mehr Einwohner, aber mit der Beschäftigung sieht es nicht gut aus. Von 60 % Arbeitslosigkeit ist die Rede. Weiße haben keinerlei Chance, einen Job zu bekommen. „Ich bin deshalb selbständig“, erklärt Mike, dessen Großvater (englischsprachig) und Großmutter (deutsch) sich einst in Lüderitz ansiedelten. Er wuchs deutschsprachig auf, fuhr zur See und steuert jetzt den Jeep eines Freundes. Zu den kolonialen Cafés im nahen Swapokmund verkehren Taxen; er bietet Offroad-Abenteuer in den Dünen und im UNESCO-Gebiet Sandwich Harbour.

Es bedeckt eine riesige Fläche, dieses sich im Sturm der Wellen und Entstehen und Vergehen von Dünen ständig verändernde Feuchtgebiet. Wir fahren direkt hinein in diese Wildnis, die zunächst von lila leuchtendem Flachwasser und blendend weißen Bergkegeln zwischen Kranen gekennzeichnet ist. Hier wird Meersalz geerntet. Das nährstoffreiche Flachwasser lockt in Trockenzeiten bis zu 40.000 Flamingos an. Die lila Alge gibt ihrem Gefieder ein bisschen Farbe. Rechts wachsen noch Schilf und Sträucher, karge Nahrung für Springböcke und die langgehörnten Oryx-Antilopen. Hier wächst auch Namibias zottlige Nationalpflanze, die Welwitschia. Sie hat tiefste Wurzeln und nur zwei Blätter, die sich oberirdisch in viele Lappen zerzausen.

Die Fahrspur liegt jetzt direkt zwischen den Ozeanwellen und der hohen Düne – Sanwich Horbour ist erreicht. Aus dem tief tintenblauen Ozean rollen tosende Wellen mit weißen Schaumkronen zum Land. Die Sandberge in sonniger Glut lässt das unberührt. Eine Ewigkeit schon. Die Namib gilt mit 80 Millionen Jahren als die älteste Wüste der Welt. Unser Besuch scheint ihr gleichgültig zu sein. Sie liegt nur da. Die Jeeps geben Gas. Offroad-Spaß ist angesagt, leichtes Kribbeln, bei 70 Prozent Dünengefälle. Dann folgt das Picknick mit frischen Austern. Etwas abgehoben?

Keinesfalls; die Delikatesse wird direkt nebenan im Ozean im großen Stil gezüchtet, feinste Pazific-Austern für Feinschmecker in Japan und China. Wir lassen uns das Unerwartete schmecken.


Unerwartetes begleitet uns am nächsten Tag. Regen! Der erste seit 2008. Es ist kein Guss, sondern regelrechter Ganztags-Landregen. Die Palmen sind plötzlich nicht mehr braun, sondern grün, ansonsten regt das Ereignis keinen Einheimischen auf. Die Robben draußen an den Hafenmolen sowieso nicht. Sie haben hier ihre Kinderstuben.
Weit hinterm Leuchtturm ragt eine hunderte Meter lange Holzplatte ins Meer. Es ist die Produktionsstätte eines Einzel-Unternehmens mit Millionengewinn. Das Produkt – Guano – (getrockneter Kot der Kormorane und Pelikane, die sich hier zu Tausenden sammeln) wird nicht nur in unserem Blumendünger, sondern weltweit eingesetzt.
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