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Mitten im ewigen Eis

Reisen & Unterwegs | Von | 27. Oktober 2017

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Wir haben nördlich des Archipels Spitzbergen die Breite von 80°,6’ 57’’ erreicht.
Zum Nordpol sind es noch knapp 1000 Kilometer. Das Schiff bewegt sich von der Grönlandsee in die Barentssee, beides Teile des Atlantischen Ozeans im Norden Skandinaviens. Das Meer ist zu 90 Prozent eisbedeckt

Das Nordkap haben wir am frühen Morgen umrundet und gegen 7 Uhr den Kurs straff nach Nord aufgenommen. Gegen Mitternacht passieren wir bei etwa 74° nördlicher Breite die Bäreninsel auf halbem Weg nach Spitzbergen. Sie liegt, wie fast immer, im dichten Nebel. Wir werden sie auf der Rückfahrt im Sonnenlicht erleben – ein vollkommen flaches Eiland, das seinem Namen längst keine Ehre mehr macht. Es wurde hier schon seit Jahrzehnten kein Bär mehr gesehen. Seevögel und flache, grellfarbige Tundraflora teilen sich das Naturschutzgebiet (seit 2002) mit wenigen Forschern einer meteorologischen Station.
Die „Hanseatic“, ein mit höchster Eisklasse für Passagierschiffe ausgestattetes Expeditionsschiff, hält mit etwa 16 Knoten Kurs auf Spitzbergen. Das ist die Hauptinsel des Svalbard-Archipels mit etwa 400 Inseln, den man in der Regel umgangssprachlich mit dem Begriff „Spitzbergen“ meint. Uns erwarten hier zunächst Fjorde wie in Norwegen, nur flacher und geprägt von imposanten Gletscherkanten. Im Recherchefjord auf der Südseite des Bellsund, in den zwei Gletscher münden, sehen wir immer wieder Trümmer von Hütten der Abenteurer vergangener Zeiten. Die Bergrücken erheben sich bis zu 800 Meter. Im Feldstecher entdeckt unser Bärenwächter einen Eisbären genau dort, wo wir mit dem Zodiak anlegen wollen.
Das Tier regt sich nicht. Nähere Untersuchung ergibt: Es ist ein totes Tier, wohl aus dem offenen Meer erschöpft angetrieben.
Wir erklettern wie die ersten Entdecker die grünen Berge. Hier im Süden der Hauptinsel erwartet uns mildes Wetter. In der Ferne äsen einzelne Exemplare des Spitzbergen-Rens.
Schon 1596 haben Seeleute auf der Suche nach einer Passage Richtung Osten dieses Nordland gefunden. Bald danach lockte es Walfänger, später Robbenjäger an. Üppig besiedelt wurden die Inseln aber nie. Auch der Kohleabbau ab 1900 währte nur etwa 25 Jahre. Im Grunde blieb Spitzbergen immer ein Refugium der Arktis-Forschung. In Ny Älesund, wo es bei 30 Einwohnern im Winter und 120 im Sommer das nördlichste Postamt der Welt gibt, ist die Steinkohleförderung, nachdem sie 1929 eingestellt war, nach dem II. Weltkrieg sogar nochmals aktiviert worden, endete dann nach einem Grubenunglück 1963 wohl für immer.

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Die kleine Eisenbahn fährt nicht mehr. aber sie erinnert in Ny Alesund an den lebhaften Kohleabbau ab 1900. Die Flöze lagen zum Teil direkt an der Oberfläche Fotos: J.Heinrich

Zwischen den grünen, blauen und braunen Holzhäuschen steht eine große Büste des Polarforschers und Südpolpioniers Amundsen. Er war hier von Spitzbergen aus 1926 mit dem Italiener Umberto Nobile mit dem Luftschiff „Norge“ zur ersten Nordpolüberquerung gestartet. Ein großer Gittermast überragt die Siedlung. An ihm legte das Luftschiff an und später auch die „Italia“, in der Nobile mit 16 Leuten verunglückte. Bei der Suchaktion kam der Norweger Roald Amundsen in der Nähe der Bäreninsel um Leben.
Spitzbergen gehört auch heute noch zu Norwegen, wird aber seit dem Spitzbergen-Vertrag von 1920 international genutzt und ist vor allem entmilitarisiert.
Wir erkunden die Landschaft an vielen Stellen und finden in den malerischen Weiten immer wieder die Spuren hartnäckigen menschlichen Bemühens. Da gibt es die Versuche der Siedlungsgründungen, des Marmorabbaus und die Stützpunkte der Jäger und der Entdecker. Alle sind gescheitert an der Geografie, der weiten Entfernung zur Zivilisation und zu den Märkten. Heute nutzen Wissenschaftler die kühle Stille und haben hier 2008 die weltweit erste Pflanzensamenbank (Nor-dic Gene Bank) eingerichtet. Weltweit werden hier Nutzpflanzenarten erhalten. Die Samen, allein von 15 000 Bohnensorten, liegen bei -18 Grad sicher und sind vielleicht große Reserven der Zukunft.
Unser Schiff hat sich über den Norden der Inselspitze hinaus gewagt und umrundet Spitzbergen von West nach Ost. Der Blick verliert sich im ewigen Eis. Zu 90 Prozent ist das Meer mit dicken Schollen bedeckt. Eine stille Weite. Schluss



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