In Gondar zeigten Herrscher ihre Innovationen
Der malerische Tana-See mit seinen Pelikankolonien und Nilpferdfamilien ist nicht nur der größte See Äthiopiens, sondern auch der höchste ganz Afrikas. Wir wollen weiter hinauf – zu den Kaiserpalästen im Hochland.
Unser Weg durch fruchtbare Landschaft mit wogenden Teff-Feldern (Zwerghirse, ältestes afrikanisches Getreide) wird immer häufiger von bizarren Felsnadeln gesäumt, die wie Fabelwesen hundert und mehr Meter hoch aufrecht stehen. Prächtig ausgemalte Rundkirchen gehören zur Geschichte dieser wenig bekannten Kulturlandschaft. Am schönsten gestaltet ist die des Debre Berhan Selassie Klosters („Kloster der Dreifaltigkeit auf dem Berge des Lichts“). Geflügelte Engelköpfe mit großen neugierigen Augen schauen dicht bei dicht von der Decke auf uns herab. Die Malereien an allen vier Wänden erzählen in leuchtenden Farben die Geschichten um Christi und Maria. 1694 sollen die Kunstwerke entstanden sein; im 19. Jahrhundert sind sie sorgfältig erneuert worden.
Das Kloster ist eine Gründung jener Kaiser, deren Pfalz wir auf
2 300 Höhe bei der Kaiser- und Königsstadt Gondar suchen. Niemand im damals modernen Europa konnte sich vorstellen, dass bis 1855 auf dem Schwarzen Kontinent eine derart prunkvolle Herrscherdynastie das Reich Abessinien verwaltete. Auch unser Lausitzer Reisender Fürst Pückler, der eine abessinische Prinzessin (oder Sklavin) nach Muskau brachte, ahnte wohl kaum davon.
Seit den antiken Reichen von Axum (in dieser Reihe am 6. und 13.1.) und Lalibela waren die Herrscherhöfe des heutigen Äthiopien „mobil“ unterwegs, ließen sich, ähnlich wie wir das von deutschen Kaiserpfalzen kennen, für bestimmte Zeiten an einem Ort nieder, dessen Ressourcen durch luxuriöse Hofhaltung bald aufgebraucht waren. Dann zogen sie zu einer neuen Pfalz (temporär bewohnte Burg). Kaiser Fasilides (Regierungszeit 1632-1667) war der erste, der das änderte und sesshaft wurde. Wahrscheinlich mit Hilfe portugiesischer und indischer Baumeister bauten er und seine Nachfolger Burgen auf, vor denen wir heute staunend stehen. Der Vergleich zu unseren Vesten des Mittelalters liegt nahe. Genauer besehen, erzählen die dicken Mauern, maurischen Bogen und kunstvollen Gewölbe aber exakt diese besondere afrikanische Geschichte, die sich eng entlang der jüdischen, christlichen und islamischen Religion bewegt. So wird der Besucher in einer Halle des Hochgeschosses des Schlosses im weiten Saal empfangen, den über den Türen Davidsterne schmücken – das Bekenntnis der Christen zur jüdischen Herkunft.
Die Vielzahl der Schlösser auf engem Raum erzählt vom Stolz der Könige. Kein Thronerbe begnügte sich mit dem Haus des Vaters. Zur eigenen Macht gehörte der eigene Palast. In der Dynastie folgten hier Yohannes (1667-82), dann Iyasu (bis 1706). Wegen mehrerer Königsmorde klafft eine
Lücke, ehe sich die (Bau-)Reihe bis 1855 fortsetzt. Und immer
gehörten als Zeichen der Macht (lebende) Löwen neben den Thron. Auch der Zwinger der Katzen ist erhalten.
Nächste Folge: Das Reich von Lalibela
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