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Reisen mit Fürst Pückler (13): Alexanderbad – Fluchtstation bei Midlife-crisis

Land und Leute | Von | 1. Mai 2002

Alexanderbad

Das Schloß in Bad Alexandersbad hatte Markgraf Alexander von Bayreuth, der Neffe Friedrich des Großen, 1783 erbaut. Heute beherbergt der vorbildlich restaurierte Bau eine Seniorenresidenz.

Durch den weiten Fichtenwald zwischen dem sächsischen Tharandt und Freiberg fuhr im Mai 1834 eine elegante Kutsche, vier Pferde waren vorgespannt, der Herr führte die Zügel und auf dem hinteren Bock saß ein “schöner, blondgelockter, junger Jäger”. “Besagter Wagen war ein schmaler Vis à vis, nur Raum für zwei sich gegenübersitzende Personen gewährend, schimmernd schwarz lackiert, das Innere mit spiegelhellen Glasfenstern versehen, mit himmelblauer Seide ausgeschlagen und zierlich mit schmalen goldenen Schnurren und Quasten geschmückt.” Dort schlief auf dem Teppich ein kleines Windspiel, ein grüner Papagei in einem Bauer krächzte mißmutig. Der Herr auf dem Bock “war ein Mann von hoher Statur, dem Anschein nach reichlich bei der Hälfte seines Lebens angelangt, eine schlanke, wohlgeformte Gestalt, die jedoch physisch mehr Zartheit als Stärke, mehr Lebhaftigkeit als Gewandtheit Festigkeit verriet. Seine Züge waren fein, geistreich und auffallend. Der Ausdruck dieser Züge war jedoch eher leidend zu nennen, ein sonderbares Mittelding zwischen schwermütigem Nachdenken und sarkastischer Bitterkeit. Der Weg, nicht das Ziel, war sein Genuß.” Der vornehme Reisende war kein anderer als unser Fürst Pückler. Er war auf einer Reise ins Ungewisse, eigentlich war es eine Flucht. Die gekürzten Zitate entstammen seinen Briefen und seinem Buch “Vorletzter Weltgang von Semilasso”

Luisenquelle

1734 bereits wurde die Heil- quelle entdeckt, sieben Jahre später erhielt sie eine bauliche Fassung und erste Badegäste kamen. Neben dem Wasser aus der Luisenquelle werden den Badegästen heute auch Naturmoor – Behandlungen angeboten.

Muskau und Lucie ade

“Nie habe ich mich schwerer von der täglichen Gesellschaft meiner treuen Freundin, von dem Komfort meines Hauses, von meinen geliebten Anlagen zu trennen vermocht. Doch Zerstreuung, Veränderung, Neues bedarf meine Natur in gewissen Intervallen wie die Luft zum Leben. Die Seele des Mannes will Veränderung, das Herz des Weibes will Beschäftigung”, so stellte der Fürst seine kurz entschlossene Abreise einem Freund dar. Gewiß, so war er innerlich strukturiert, doch kamen damals allerlei äußere Gründe zusammen: 1. Der Muskauer Park war fertig, wenigstens im Kopf und auf dem Papier, künstlerisch war alles gesagt und getan, um die Ausführung können sich andere kümmern. 2. Der Versuch, durch neue, reiche Heirat das verschuldete Muskau zu retten, war fehlgeschlagen, die Hoffnung ging gegen Null. 3. Mit der preußischen Regierung gab es Ärger ohne Ende, Ausgleich und Zahlungen für verlorene Vorrechte schleppten sich schon fast 20 Jahre dahin. 4. Gesellschaftlich wurde die Situation geradezu brenzlig, denn mit seinem neuesten Buch “Tutti Frutti” hatte der Fürst hohe und höchste Herrschaften verärgert. In so einer Situation ist Flucht nicht der schlechteste Ausweg. Wohin aber, hier war alles erstarrt in festen Formen, in die Neue Welt, nach Amerika, müßte man gehen, des alten Europas müde, und fortan nannte sich Fürst Pückler “Semilasso” – der Halbmüde.

 

 

 

 

 

Schweizerhaus

Das ehemalige Schweizerhaus
diente früher den Kurgästen. In
den 1970er Jahren wurden
moderne Kur- und Hotel-
anlagen errichtet, danach
erhielt Alexandersbad 1979 den
staatlichen Titel “Bad”.

Der einzige Badegast

Vom Schloß in Alexanderbad wanderte eine einsame Gestalt hinab zu einer im Tal gelegenen Quelle. Fürst Pückler machte seinen täglichen Spaziergang – vergnügt mit sich allein. Ja, ja, seine Lucie war schon eine schlaue Füchsin, ihr Rat lautete: Nach Amerika, das wäre toll, oh, ja, aber er solle doch über Karlsbad fahren. Sie hatte gehofft, er würde in veränderter Gesellschaft schon seinen Weltschmerz vergessen, seine Midlife-crisis überwinden. Doch in Karlsbad war der Glanz vorbei, Goethe und Beethoven waren längst verstorben, Kaiser und Könige blieben aus. Ein paar blasierte Engländer, eine impertinente französische Herzogin und einfältige deutsche Erbprinzen – nein, bloß weiter. Eger war die nächste Station, hier war Wallenstein ermordet worden, nein, bloß weiter. Dann Alexanderbad, auch hier nur noch der Abglanz besserer Zeiten, aber welche Lage im lieblichen Fichtelgebirge, welche Ruhe, da konnte man sich selbst finden: “Ich war hier der liebenswürdigste, der jüngste, der schönste, der klügste, der gelehrteste, der geliebteste und der gefeierteste Badegast, weil ich – der einzige bin. Man lebt hier in jeder Hinsicht komfortabel, das Essen ist schmackhaft und reinlich, die Bedienung prompt und gefällig” Der Inspektor war zwanzig Jahre in Napoleons Diensten und konnte herrliche Geschichten erzählen. Der Tafeldecker war ein Onkel der berühmten Sängerin Henriette Sontag, der göttlichen Jette, oh, welche Erinnerungen. “Kennst Du die Luisenburg?” fragte der Fürst seine Lucie, “die Natur selbst hat dort mit umher geschleuderten Felsenmassen seltsamste Gebäude aufgerichtet, und ein Labyrinth geformt, aus dem man, ohne die Hand des Führers, schwer den Ausgang finden würde.” Natürlich kannte Lucie die Luisenburg, als ihr Vater, der Kanzler Hardenberg, noch in Bayreuth wirkte, verbrachte sie manchen Sommer in Alexanderbad. “Ein Geist der Vorzeit möge Dir erscheinen, nämlich Deine Schnucke von achtzehn Jahren, weiß gekleidet und geschmückt mit Kornblumen, einem Himmels-Engel gleich,” beschwor Lucie die Erinnerungen. Also, hier in Alexanderbad hielt man es aus, doch bald kam die alte Unruhe wieder. Zunächst half ein Ausflug in das nahe Wunsiedel, dort waren zwei bemerkenswerte Männer geboren worden: Jean Paul, der verehrte Dichter, und Karl Ludwig Sand, der radikale Burschenschafter, der zum Mörder des Schriftstellers Kotzebue wurde. Doch bald hielt unseren Fürsten nichts mehr; weiter, nur weiter. Die Reise ging nicht nach Amerika, wegen eines Duells verpaßte er das Schiff. Einsetzende Herbststürme verhinderten andere Schiffe an der Atlantiküberquerung. Auf das Frühjahr warten konnte der Fürst nicht, also ging die Reise in eine ganz andere Richtung – nach Afrika, nach sechs Jahren war er wieder daheim. Einige Stationen lernten wir in dieser Serie schon kennen, weitere werden folgen.
Siegfried Kohlschmidt

Luisenburg

1805 weilte Königin Luise von
Preußen mit ihrem Gemahl
Friedrich Wilhelm III. für drei
Wochen in Alexandersbad.
Luise war schon damals “die
Königin der Herzen”. Ihr zu
Ehren erhielt die bizarre
Felsenwelt den Namen
“Luisenburg”. Hier befindet
sich auch eine der schönsten
Freilichtbühnen Deutschlands.

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