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Cristalica: Gläserne Hoffnung

Forst & Döbern | Von | 3. Juni 2016

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Vielleicht ist das die exotischste Bushaltestelle der Welt: Sie heißt „Döbern – Bahnhof“, grenzt an eine ziemlich authentische Inka-Mauer und hat eine gläserne (Pückler- oder Inka-?)Pyramide, knapp 18 Meter hoch, zum Wahrzeichen. „Cristalica Kingdom – Shopping de luxe, Erlebnis pur“ verspricht sie an ihrem Eingang ohne Übertreibung Fotos: J. Heinrich

Am alten Industriestandort Döbern entfaltet sich kühne Kreativwirtschaft / Trotz Maschinenstreit bleibt Glas hier das Kerngeschäft für Lutz Stache:
Döbern. Wer die Cristalica-Pyramide betritt, ist geblendet von Licht, Glanz, Farben, schillernder Exotik. Mannshoch wacht ein Tiger am Eingang, ein glitzerndes Kunstwerk  aus tausenden Glaskristallen. Im Treppenschacht  geht ein leuchtender Glasperlenfall nieder auf ein gläsernes Bett aus jenen „Nuggets“ oder auch „Glasnudeln“, die als Halbfabrikat das Werk verlassen und Glasherstellern als Rohstoff dienen. Phantasievolle Blütenkronleuchter aus Venedigs Murano-Glas oder riesige Pokale aus geschliffenem Kristall lassen die Herzen der Liebhaber höher schlagen. „Cristalica Kingdom“ heißt dieses Reich, in dem außerdem noch Platz ist für die total abgefahrene V.I.P. Pictures World GmbH. Ob Sänger Alexander Knappe oder Bayern-Torjäger Robert Lewandowski oder ob (vielleicht?) der Chef einer kleinen aufstrebenden Firma von nebenan – sie alle bekommen hier mit Werbeartikeln (neudeutsch: Merchandising-Produkten) ihren großen Auftritt. Caterina Schmidt sieht in diesem Geschäftsfeld eine große Zukunft. Ihr Vater Lutz Stache spricht von einem guten Zufall. Er wollte in Rumänien einem Fußballclub helfen sowie übernehmen und einem Berliner Verein personalisierte Glasprodukte, für die einzelnen Spieler, anbieten. Ohne auf Risiko zu produzieren, sollten Produkte von der Stückzahl 1 bis unendlich personalisierbar sein.  „Das können wir“, sagt Caterina Schmidt stolz und zeigt die vielen Geräte neuster Lasergravurmaschinen, spezielle Individualanfertigungen für Cristalica. Volkmar Meisoks arbeitet schon über 25 Jahre im Werk, wurde 1986 Meister der Glasveredlung. „2011 habe ich zum letzten Mal geschliffen“, sagt er ohne Wehmut, und zeigt auf eine „rote Kiste“: „2009 kam der Herr Stache, schob das Ding rein und sagte hier mach’ mal. Seitdem bin ich Laser Graveur. Die Managerin ergänzt: „Jetzt haben wir fünf solche Geräte, unter anderem mit CO2-Rotationslaser.“ Sie nimmt einen schweren Kristall-Quader vom Regal. Drinnen sehen wir in feinen weißen Linien dreidimensional Detlef Irrgang Fußballgott. Sie bewegt das Stückl leicht im Handgelenk und „Irre“ nickt da drin. Wahrlich: Irre!

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Stache-Tochter Caterina Schmidt ist Managerin der V.I.P. Pictures World und Glasliebhaberin. „Diese Stücke erinnern mich an Klimt, den großen Wiener Sezessionisten“, sagt sie, schwärmt aber auch von Kronenschliff der Schalen darüber

Was nach Spielerei aussehen mag, hat große Dimensionen im globalen Markt, in dem der Cottbuser Lutz Stache zuhause ist. Nach einer Unternehmerphase im Veranstaltungswesen reizte ihn ab 1994 richtige Fabrik-Produktion. Er hatte Erfolg mit einem Zementwerk in Polen und Investitionen in Rumänien, der Türkei und den Emiraten. In Deutschland kaufte er ein Eisenbahnunternehmen, das unter anderem Kraftwerke in Cottbus und Chemnitz versorgt. Sein Schwerpunkt liegt heute im Irak, dem mesopotamischen Zweistromland, wo sein Werk Plastikrohre produziert, wie man sie hier auch auf dem Baumarkt sieht. „Das Land ist trocken, die Menschen brauchen Wasser. Der Staat baut dafür, wir liefern“, sagt er. Natürlich gibt es Probleme dort, räumt er ein, aber nicht die in den Medien kolportierten. „Die Leute wollen Ruhe, Familie und vor allem Sicherheit. Der Aufbau boomt – übrigens häufig mit Frauen als Chef. Die sind gradlinig, konsequent, erfolgreich.“

Mit seinen Unternehmen bewegt Stache wohl 100 oder mehr Millionen Euro Umsatz. Der eher moderate Standort Döbern will schwer passen in dieses Bild steilen Aufstiegs.
„Es stimmt – ich wurde damals, als hier der dritte Übernahme-Versuch gescheitert war, von vielen Seiten gedrängt, mich in Döbern einzubringen. Ich hab’s getan.“ Genauer: Er hat 40 Millionen Euro in den Standort investiert und dabei auch 4,5 Millionen Euro Fördermittel genutzt.  „Verarbeitendes Gewerbe wird im Land Brandenburg gefördert“    bestätigt der Unternehmer. Aktuell arbeiten hier in den unterschiedlichen Projekten 70 Leute. Und wenn es auch keine Auferstehung der Glashütte mit Dimensionen der DDR-Zeit gab – der Betrieb läuft. „Ich hatte für 2016 die ‘schwarze Null’ im Auge, aber mir macht etwas unerfreulicher Gegenwind zu schaffen.“ Und er stellt gleich klar: „Glasproduktion wird es in Döbern immer geben.“ Aber das könne nicht die Massenproduktion sein, weil die gleich hinter den Grenzen zum halben Preis zu haben ist. „Unsere Chance liegt in der wertsteigernden Veredlung.“

160603cristallica2Lutz Stache, hier im spartanischen Chefbüro von Cristalica, glaubt an Glas aus Döbern und kämpft dafür. Der Wahl-Lausitzer aus Thüringen stieg als Zeitschriften Grossist und Veranstalter in die Marktaera ein, gab 1994 die erfolgreiche Coex-Agentur ab, um eine Fabrik in Polen aufzubauen. Heute produziert er Rohre im Irak, um das Land zu bewässern, unterhält eine Eisenbahn, Baustoffunternehmen und ein Glaswerk – 7 500 Beschäftigte weltweit. Der Firmensitz ist über seiner Eisdiele am Cottbuser AltmarktGutes Beispiel dafür sind die Bildkugeln. Sie werden zurzeit in kleinen Serien mit einer Tageskapazität von 200 Kilo für verschiedene Kunden produziert. Die Maschine, die das Glas herstellen kann, ging zu Bruch. Sie wurde repariert, aber der jetzt bestellte Gutachter muss erst über Ursache und Kosten befinden.
Lutz Stache lässt sich seinen Ärger kaum anmerken. Er plant, die Produktion auf zwei Tonnen täglich zu steigern und hält im Hinterkopf wohl an Synergien für diesen Standort fest.
Parallel zur Glasproduktion ist eine Erlebnisgastronomie noch nicht vom Tisch. Damit haben die Inka-Mauern und vielleicht auch die Maschinenwesen in der Ofenhalle zu tun.
Wer durchs Werk geht, entdeckt ein wahres Dorado moderner Kreativwirtschaft. Eben kam ein Kontakt zu Felicitas zustande. Außer gelasertem Glas wird nun auch Schokolade bedruckt.       J. Heinrich



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