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Feuilleton: Doch das Messer sieht man nicht

Feuilleton | Von | 7. Juni 2019

Anmerkungen zur Senftenberger „Dreigroschenoper“, eingerichtet für Amphi-Sommerabende von Manuel Soubeyrand und Benjamin Rietz.

DreiGroschenOper SteffenRasche

Finstere Gestalten treffen sich zur Völlerei. Ehe die Tafel gedeckt ist, schwirrt das Geschirr in zirzensischer Perfektion durch die Luft – Applaus in offener Szene! Manuel Soubeyrand hat Brechts Gaunerstück mit freiluftgerechten Effekten aufgelockert. Die drastische Botschaft bleibt, und Weills Musik kommt auch im Wettbewerb zum Nachtigallenschlag dank einer vorteilhaft besetzten siebenköpfigen Band richtig gut an | Foto: Steffen Rasche

Senftenberg. Man mag schauen wie man will: Es liegt kein toter Mann am Strand, und auch ein Messer sieht man nicht wirklich. Seenland ist nicht London und Großkoschen nicht die Unterwelt. Hier spielt die Weill-Musik, hier nahe bei den Campern, und die kommen in kurzen Hosen und leichten Kleidchen und amüsieren sich wie Bolle. Applaus, Applaus am laufenden Band!
Dabei gibt es viel zu lernen. Zuerst, im Vorprogramm wie zu den TV-Aufzeichnungen in großen Studios, eben das Applaudieren. Deutscher Beifall (rhythmisches Klatschen) ist unpassend; man zeigt Emotionen, springt auf, pfeift, johlt und trällert. Das gefällt dann den Ganoven da vorn, die Barbara Fumian ganz prächtig ausgestattet hat. Vermutlich liest sie gern Charles Dickens. Brecht war da eher sparsamer und ließ die Zungen Akrobatik treiben. Die Ausstatterin legt alles in Kostüme und Gerätschaft, weil für Bühnenbilder in dieser Spielstätte nicht viele Chancen bleiben. Ihr gieriger Sonnenschluck ist dabei ein richtiger Volltreffer.
Die Akteure kommen aber nicht nur aus dem Schlund, sondern von allen Seiten und immer schön ordinär. Links halbhoch sitzt die Band mit Gitarre, Banjo, Posaune, Trompete, Klavier, Kontrabass, Klarinette/Sax und Schlagwerk. Da freie Platzwahl ist, sei die Mitte bis rechts empfohlen; links übertönen die ganz perfekten Melonenherrn (musikalische Leitung Benjamin Rietz, meist auch am Piano) die Singstimmen. Und die sind durchweg hörenswert – wegen der pointierten Brechtschen Texte, die auch die Handlung forttragen, und wegen der prächtigen Interpretation.
Die Geschichte ist gar nicht lustig, denn sie zeigt den tiefsten Abgrund, der, was Spiel, Sex und Völlerei betrifft, durchaus Genuss verspricht, aber eben auch Auszehrung. Erik Brünner, ein junger Schauspieler aus Dresden, gibt einen üblen Typen: den Chef der Bettlerbande. Er nimmt Gebühren für die Dramaturgien, die er armen Schluckern einbleut. Sein J.J. Peachum, wie alle Kumpane in furchterregender Maske, meint Bedeutung. Alle Banditen geben den Anschein, mit viel natürlicher Lust zu spielen, und so nimmt der Krieg der Ganovenkönige, gefördert von der korrupten Behörde, seinen unterhaltsamen Verlauf. Herrlich, wie sich Trauerweidenwalter, Hakenfingerjosie und Münzmathias berappeln.
Vor allem dreht sich das Bemühen um die schöne Polly, Tochter des Bettlerkönigs, die zauberhaft kapriziös singen und auch schreiten kann. Soubeyrand hat sie aus der Schweiz geholt, weil sie in ihrer Vita „fließendes Deutsch“ angibt. Aber sie kann eine Menge mehr und bekommt folglich immer wieder wohlverdienten Camper-Beifall.
Den hätte auch Tom Bartels gern in der Schlüsselrolle des Banditenkönigs Macheath, aber der kam in der Vorstellung am 29. Mai nicht so recht aus sich heraus. Irgendwie abwartend blieb er unterwegs – er, der doch den Polizeichef und überhaupt ganz London in der Tasche hat und stolz zum Galgen geht.
Das Ensemble bekommt einen Riesigen Schluss-Beifall, den es, vor allem wegen der Songgestaltung in allen Bildern, auch verdient hat. Wer aus der grellen Fülle etwas Brecht/Weill-Sound zu filtern suchte, wurde bei einer Hure fündig. Die Spelunkenjenny von Catharina Struwe lässt es auf der Zunge gurgeln und ahnen, wie bissig das alles hier eigentlich gemeint ist. Eine toll gefasste Figur. Und alles zusammen: einfach großartig. Diese „Dreigroschenoper“ unterm Zelt lohnt auch weite Wege. Pfingstsonntag gibt’s die wieder, dann am 21. und 22. Juni. Plätze sind reichlich da. J.Heinrich

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